Gott draußen treffen

Maik liebt es, draußen zu sein. Durch Feld und Flur streifen, am Bach Dämme bauen, Stöcke mit seinem Messer anspitzen, auf Bäume klettern, ein Lagerfeuer machen. Das macht ihn froh, erfüllt sein Herz, öffnet seine Gedanken. Wenn ich ihn frage, wo er denn Gott suchen würde, wäre seine Antwort klar: Hier draußen!

Der längste Tag des Jahres auf der Nordhalbkugel ist traditionell ein Anlass, besondere spirituelle Orte in der Natur zu feiern. In Stonehenge in England haben am 21. Juni 6000 Menschen den Sonnenaufgang um fünf Uhr morgens gefeiert.

Tauffeste am Meer, am Fluss, in Seen, an Quellen in Wald und Flur und auf Berggipfeln. Das Wasser fließt aus der Natur direkt zum geliebten Geschöpf Gottes. Die Natur öffnet den Sinn für das Einzigartige und das Ganze. Kirchliche Trauungen in Berg- und anderen Kapellen, in Landschaftsparks, barfuß am Strand – die Vögel singen gern ein Hochzeitslied.

Die Externsteine sind ein mythischer Ort im Teutoburger Wald. Ein Kraftort für Mönche, Pilgerinnen und Pilger. Ein eindrucksvolles Naturdenkmal aus Sandsteinen, die sich vor 70 Millionen Jahren senkrecht aufgestellt haben. GEO sagt: einer der 15 märchenhaftesten Orte weltweit. Es gibt dort ein offenes Felsengrab, Grotten, eine Altarnische und ein riesiges Kreuzabnahmerelief. Die Wissenschaftler sagen, dass es sich hier um eine Nachbildung der heiligen Stätten Jerusalems handelt. Für Menschen, die sich eine Reise bis in den nahen Osten nicht leisten konnte, eine gute Alternative für eine Reise des Glaubens. Natürlich gab es auch andere, die sich von diesem Ort Inspiration und Hilfe versprachen. Heute besuchen jährlich 500.000 Besucherinnen und Besucher die steinernen Zeugen der Vergangenheit. Was mir gefällt: Im Infozentrum mit dem gigantischen X wird sehr elementar das große Relief erklärt: Christentum auch für Anfänger:innen – sehr gut! Ganz oben, nach 40 Meter Aufstieg über herrlich schräge Treppenstufen beim Ausblick hat jemand ein Neues Testament mit Psalmen in eine Steinnische platziert – angucken erwünscht.

Auf dem Christenberg oberhalb von Münchhausen im hessischen Burgwald, wo schon Bonifatius zu Besuch war, findet am Sonntag, 26. Juni, Wunder Wald, um 9.30 Uhr ein ZDF-Fernseh-Wald-Gottesdienst mit Bischöfin Beate Hofmann aus der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck statt. Warum sie das macht, verrät sie uns hier schon mal.
Für mich ist der Christenberg viele Jahre ein besonderer „Draußen-Ort“ meines Glaubens gewesen: an Himmelfahrt haben wir mit vielen Posaunenchören Gottes Lob gespielt und anschließend einen fröhlichen Kirchenfamilien-Tag verbracht. Und in der Karwoche sind wir mit dem großen Holzkreuz auf den Schultern den Jugendkreuzweg unten vom Dorf bis hoch zur altehrwürdigen Martinskirche gegangen.

Das Kirchenmusikfest unserer Oldenburgischen Kirche lässt es sich natürlich auch nicht nehmen: Am Samstag, 25. Juni, gibt´s tolle Kurz-Konzerte draußen an verschiedenen Orten in der Innenstadt.

Gesichter der Religionen

Die analoge Ausstellung in Oldenburg ist zu Ende. Vor ein paar Wochen habe ich über die Intention und das Design berichtet. Die Landesbibliothek als Ausstellungsort und der Präventionsrat sind mit den Besuchszahlen zufrieden. Immer wieder haben sich über den Tag verteilt Menschen in die Ausstellungsstationen vertieft. Und neben den Gruppen, die einfach so durch die Ausstellung gegangen sind, gab es einige, die sich eine Führung gewünscht haben. Gern habe ich mich, weil sich keine anderen finden ließen, dieser Aufgabe gestellt.

Zu Beginn der jeweils 60-90minütigen Führungen gab es eine Einführung in die Ausstellung. Der historische Ort einer ehemaligen Polizeikaserne, in deren Innenhof am 10. November 1938 die Oldenburger Juden zusammengetrieben und in das KZ Sachsenhausen transportiert wurden, ist ein nachdenklicher Anstoß zum Nachdenken darüber, welche Aufgabe Religion in dieser Welt haben kann: Frieden zu stiften statt Hass zu säen und Menschen aufgrund ihrer Abstammung oder ihres Glaubens jedwede Grundrechte abzusprechen. Dann gab es Infos über das Konzept der seit 2016 auf Wanderschaft befindlichen Ausstellung und einen Hinweis auf den gesellschaftlichen Wandel: 1950 in Westdeutschland 96 % der Menschen entweder katholisch oder evangelisch, dazu kamen 15.000 Juden, die den Holocaust überlebt hatten. Heute ist die multireligiöse Gesellschaft, verstärkt durch große Migrationsbewegungen wie z.B. im Sommer 2015, im allein schon im Straßenbild offensichtlich. Daher leitet sich ein Bild ab, das für den Besuch der Ausstellung leitend sein kann: Stell Dir vor, Du gehst durch die Oldenburger oder Westersteder oder… Fußgängerzone. Du begegnest Menschen, von denen Du nicht weißt, was sie so denken oder glauben. Was wäre, wenn Du einen Schritt auf sie zu machen würdest und fragst: „Entschuldige, könnten Sie mir sagen, was sie glauben und wie sie ihre Religion leben?“ Hier bei #Religramme habe ich die Möglichkeit, 20 Menschen aus unterschiedlichsten Religionen einfach mal zu befragen. Sie erzählen, was sie ausmacht, wie sie leben und wie sie zu anderen stehen. Was sie gemeinsam haben: Sie leben alle in Niedersachsen und sie leben gerne in unserem Bundesland.

Dann ist Zeit, unterstützt durch farbliche Wegweiser, religiöse Menschen zu treffen. Christen, Juden, Muslime, Buddhisten, Hindus, Jesiden – die ja in Oldenburg ein großes Zentrum haben. Und extra für den Oldenburger Kontext präsentieren sich die Bahai und die Humanistische Vereinigung.
Es war schön zu beobachten, wie konzentriert viele der Biografien in Augenschein genommen, an der Selfistation Fotos gemacht und kleine Dialoge über das Gelesene geführt wurden. Die Schüler:innen aus dem Religionsunterricht bekamen den Auftrag, drei Personen in einem Ausstellungspass zu portraitieren und sich zu überlegen, was sie die ausgewählte Person gerne mal fragen würden (Möchtest Du auch mal Kinder haben?). Die Jugendliche veranstalteten kleine Sit-Ins vor den Stationen, googelten auch mal zwischendurch auf der Internetseite der Ausstellung und bei Instagram (#religramm_ausstellung; #religramme_wasmachtdichaus,; etc.
Ok es wurde auch mal mit der Freundin gechattet oder – erstaunlich beliebt, der Aufzug der Landesbibliothek genutzt, um die eine Etage zu zwei weiteren Exponaten der Ausstellung zu überwinden. Für die Senior:innen gab es kleine Gegenstände zur Auswahl, mit den sie das Gelesene mit ihren Erinnerungen verknüpfen konnten. Und für manche war es eine Erleichterung, längere Texte etwas bequemer von einem freundlich herzugestellten Stuhl aus zu studieren. Kleiner Wermutstropfen: Die Hörstationen, an denen Gesänge und Melodien einen atmosphärischen Eindruck bieten sollten, funktionierten nicht. Die Technik ließ sich auch trotz intensiver Bemühungen der Landesbibliothek nicht wiederbeleben.

Gegen Ende des Besuchs versammelten sich die Gruppen noch einmal im Foyer, um sich über ihre Wahrnehmungen auszutauschen. Eine gebürtige junge Muslima erzählte, sie wäre auf der Suche nach einem Glauben, der ihr für ihr weiteres Leben zusagt.
Ein Mädchen berichtete von ihrer besten Freundin, die Jesidin sei, und für die es gar nicht leicht vorstellbar sei, sich an die Vorschrift ihres Glaubens zu halten, später auf jeden Fall mal einen Jesiden heiraten zu müssen. Weil der Glaube der Jesiden auch eine Gruppe von Senior:innen interessierte, kam die Idee auf, Vertreter:innen zu einem der nächsten Gruppentreffen einzuladen. Noch viel schöner als so eine etwas eilige Begegnung in der Fußgängerzone ist ja das lebendige Gespräch in gemütlicher Runde.
Eine ältere Dame erinnerte sich, dass sie als „Evangelische“ vor über 50 Jahren Schwierigkeiten mit einem Pastor hatte, der sie partout nicht mit einem „Lutherischen“ vor dem Traualtar segnen wollte.

Ein schöner Zusatzbonus: Etliche der Schüler:innen feierten an den Wochenenden vor oder nach dem Ausstellungsbesuch ihre Konfirmation. Sie erzählten, wie schön es war bzw. wie sehr sie sich auf das Fest freuten – #Religramme live sozusagen.

Allen Besucher:innen fiel auf, dass die 20 dargestellten religiösen Menschen sich sehr respektvoll über den Glauben anderer Menschen äußern. Das sei vorbildlich! Aber leider sehe das Weltbild, besonders bei vielen Religionsführern, nicht ganz so harmonisch aus.
Allen wurde bewusst, dass angesichts der aktuellen Kriegssituation u.a. in der Ukraine jede Religion ihren Beitrag dazu leisten kann, dass das friedliche Miteinander gelingt – und das Frieden kein selbstverständlicher Zustand ist, sondern immer wieder gestiftet und bewahrt werden muss.
Als kleine Erinnerung erhielten die Besucher:innen am Ende einen Aufkleber mit der Ermutigung aus Matthäus 5, 9: „Selig sind, die Frieden stiften!“

Auch nach der Wanderausstellung gibt es noch zwei Begleitveranstaltungen am 17.5. und 23.5.!





Religiöse Bildungsbiografien ermöglichen

Ärgerlich, so ein Fehler in der Überschrift. Falsch gedacht. Der Titel war Teil eines Werbevideos, das 2017 europaweit am meisten aufgerufen wurde. „Immowelt“ – ein Portal für alle, die mit dem Thema Häusern und Wohnungen unterwegs sind, stellt einen jungen Mann vor, den seine Freundin wegen seiner zu kleinen Wohnung sitzen lässt. Im Schlaf erscheint ihm daraufhin ein Motivationstrainer: „Nimm dein Leben in die Hand. Such dir eine neue Wohnung! Sei, wer auch immo du sein willst!“

Mit dem aktuellen EKD-Text der Kammer der EKD für Bildung und Erziehung, Kinder und Jugend setzt sich das Referat Bildung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg auf seiner Klausur in der Historisch-Ökologischen-Bildungsstätte in Papenburg auseineinander. Ein traumhaft schöner Tagungsort – ganz nebenbei bemerkt.

Es geht um eine Richtungsanzeige für die vernetzende Steuerung evangelischer Bildung. Und genauer darum, wie wir als Bildungsträger:innen so gut zusammenarbeiten, damit Menschen die Chance ergreifen, ihre Lebenserfahrungen mit anderen so zu teilen, dass es ihnen gut tut und Sinn stiftet.

Weil EKD-Texte wahrlich nicht immer einfach zu lesen sind, gibt eine PRÄSENTATION einen Überblick über die Inhalte – natürlich aus Anlass des Tagungsortes mit einem entsprechenden Motiv gestaltet.
Den ganzen EKD-Text gibt es hier: Religiöse Bildungsbiografien ermöglichen

Auch nur nebenbei bemerkt: Die Kosten der Ende 2021 in Papenburg fertigestellten AIDAcosma (mit Flüssiggas-Antrieb) betrugen nach Angaben aus Fachkreisen ungefähr das Zehnfache des Jahreshaushaltes der oldenburgischen Kirche.

#Religramme – Gesichter der Religionen

Eine Kollegin fragt in die Runde der Schwarmintelligenz, welche aktuellen Tipps es denn für Konfis gibt, die gern lesen und sich mehr mit Gott und mit den Religionen beschäftigen möchten. Eine andere antwortet mit einer tollen Buchempfehlung:

Navid Kermani, Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen – Fragen nach Gott, München 2022.

Navid Kermani (Schriftsteller, Orientalist und Preisträger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels) tritt darin mit seiner 12-jährigen Tochter in ein Gespräch über die Bedeutung von Glaube, Islam und Religion für das Leben.

Ich füge als weiteren Tipp ein Format hinzu, das auf vielfältige Weise ins Gespräch bringt:


#Religramme – Gesichter der Religionen. Eine interaktive Wanderausstellung.

Seit 2016 kreuz und quer durch Niedersachsen unterwegs, – und wegen Corona später als geplant – ist die Ausstellung jetzt bis zum 10. Mai 2022 in der Landesbibliothek in Oldenburg zu besuchen.

Sie ist aus einer Bundeslandperspektive heraus konzipiert, bietet aber darüber hinaus einen einfachen und in gewisser Weise persönlichen Einstieg in die Welt der (anderen) Religionen. 20 Frauen und Männer verschiedener Religionen erzählen aus ihrem Leben und Glauben: Was ist Dir wichtig an Deiner religiösen Tradition? Wie stehst Du zu Menschen mit anderer Religion? Sie geben Einblick in ihr privates Umfeld und ihre Gebetshäuser. Sie lassen teilhaben an den Klängen und wichtigen Texten ihrer Religion. Eine pfiffige Idee finde ich, dass die Portraits an den fünf Stationen nicht nach Religionen geordnet sind. Es ist eher so wie in einer Fußgängerzone: Mir begegnen Menschen, denen ich nicht auf den ersten Blick ansehe, welcher Religion – wenn überhaupt – sie angehören. Erst wenn ich einen Schritt näher komme, näher hinschaue, lese, zuhöre, erfahre ich dies und anderes mehr.

Die ganze Ausstellung kann auch im Internet unter http://www.gesichter-der-religionen.de/ besucht werden – inklusive einem reichhaltigen Materialangebot. Darüber hinaus ist die Ausstellung auch in den Sozialen Medien präsent. Auf Instagram finden sich viele Bilder und Statements der Beteiligten; mit einigen kann man auch jetzt noch in Kontakt treten und sich natürlich auch selbst am Gespräch beteiligen. Worum es in der Religion geht, dafür steht beispielhaft der Satz des jungen Rechtsanwalts Ferdi Yildirim: „Wenn ich Frieden habe, kann ich Frieden ausstrahlen!“

Übrigens: In Oldenburg hat man im Arbeitskreis der Religionen des Präventionsrats festgestellt, dass zwei der dort engagierten Gemeinschaften fehlen… – und die Ausstellung entsprechend mit Informationen ergänzt.
Hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf die begleitende Gesprächsreihe „Religionen und Krisen“ vom 19. April bis zum 23. Mai – Infos im Ausstellungsflyer.

Nach Ostern darf ich einige Gruppen durch die Ausstellung begleiten. Ich werde darüber berichten…


Kräfte für die Zukunft

„Die Zukunft ist ja eigentlich vorbei“, sagen Leute angesichts der permanenten Krisensituation. So berichtete es der Zukunftsforscher Matthias Marx im Rahmen des ersten Kacheltalks, an dem über 150 Menschen am vergangenen Mittwoch (9.3.2022) aus der ganzen Republik und darüber hinaus teilnahmen.

Es nützt nichts, angesichts der Sorgen der Menschen. Purer Optimismus im Sinne von „alles wird gut“ kann genauso grausam sein (Cruel Optimism) und zur mindestens neurotisch machen wie der auch nicht zu empfehlende Pessismismus, der immer schon gewusst hat, dass die Sache schlimm ausgeht. Und in Notlagen immer nur mit „Gott“ zu argumentieren, mag im religiösen Kontext funktionieren, baut aber keine Brücke in die Welt derer, die auch ohne eine überirdische Hoffnung den Kopf nicht in den Sand stecken wollen.

Die Macht der Hoffnung entfaltet sich da, wo wir unsere zu einfältig gestrickten Konstruktionen der Welterklärung ad acta legen und unseren Hoffnungsmuskel so trainieren, dass er mit der Realität mental zurecht kommt.

Was sind die Gegenkräfte, um Terror und Gewalt zu überwinden?
Fünf Kräfte der Zukunft empfiehlt Matthias Horx:
Die WUT kann Wunder wirken.
Die BESCHÄMUNG verbindet die Opfer der Gewalt mit denen, die helfen können.
Die VERACHTUNG trifft den Tyrannen, weil sie ihm klarmacht, dass seine Sehnsucht, geliebt und verherrlicht zu werden, nicht in Erfüllung geht.
Die VERNUNFT ist eine scharfe Waffe gegen die Lüge.
Die HOFFNUNG, die nicht gebrochen wird, bringt den Tyrannen zu Fall.

Einen ausführlichen Essay zum Thema mit der vollständigen Beschreibung gibt es hier:
https://www.horx.com/91-der-krieg-und-unsere-zukunft/

Was mich im Zusammenhang mit der Konfizeit beschäftigt, ist die Gedanke, welche Zukunftskräfte wir denn bei unseren Konfis wecken wollen. Die von Matthias Horx angeführten Kräfte sind ja erst mal nicht die, die wir in unseren Kursprogrammen vorgesehen haben.