Bibliolog – Encounter

Wir müssen reden: Jakob und Esau, nachdem sie sich 20 Jahre nicht gesehen haben und der Betrug des Jüngeren noch zwischen ihnen steht. Mose und sein Sohn Gerschom, weil der Vater es anscheinend wichtiger fand, die Israeliten aus Ägypten zu führen, als sich um seine Familie zu kümmern. Zachäus und der Gemüsehändler, der es einfach nicht glauben kann, dass der Oberzöllner vor seiner Haustür unbedingt seine Fehler wieder gut machen will. Der lange Zeit verlorene Sohn und sein anständiger Bruder, der die ganze Zeit Haus und Hof gehütet hat und zurecht Fragen hat, wie denn das Miteinander in Zukunft gestaltet werden soll.

Bibliolog ist ein Weg, die Bibel als lebendig und bedeutsam für das eigene Leben zu erfahren. Er beruht auf der jüdischen Auslegung des Midrasch. Eine besondere Form des Bibliologs ist der Encounter. Hier geht es darum, dass zwei (manchmal auch mehr) biblische Gestalten sich begegnen und miteinander in einen Dialog treten. Es geht um unterschiedliche Positionen, Meinungsverschiedenheiten, Streit und mehr. Ein Anlass also, über den es sich zu reden lohnt.

Vom 22.-26. April hatten zehn Bibliolog:innen unter Anleitung von Frank Muchlinsky die Gelegenheit, die Technik des Encounter kennenzulernen und auszuprobieren. Das Evangelische Bildungshaus war für diese intensive Arbeit der ideale Ort. In einer vertrauensvollen, fehlerfreundlichen Atmospäre konnten Gedanken und Gefühle zur Sprache und zum Ausdruck gebracht werden. Und die Ergebnisse konnten sich sehen lassen und zeigten einmal mehr, wieviel Potenzial ihn dieser Methode liegt. Oder besser gesagt, in dieser Haltung. Bibliolog:innen vertrauen auf die Kraft der biblischen Überlieferung und darauf, dass in den biblischen Geschichten das ganze Leben zur Sprache kommt. Und zwar sehr existentiell die Themen, die uns jetzt und hier beschäftigen: Es geht um Familie, Liebe, Vertrauen, Gerechtigkeit, Versöhnung, Angst, Hoffnung und so viel mehr.

Die Arbeit mit dem Bibliolog ist wunderbar geeignet für viele Bereiche der Gemeindearbeit vom Gottesdienst über den Gesprächskreis und den Gemeindekirchenrat bis hin zur Arbeit mit Konfis und anderen jungen Menschen.

Events, Aktionen, Kirchentag

Gerade rief ein Kollege an, um sich den Segensautomat und den Roten Teppich für ein Straßenfest in Delmenhorst Anfang Mai auszuleihen.
An Himmelfahrt findet das KonfiCup-Finale im Fußball der EKD in Köln statt – mit unserem Oldenburger Team aus Wilhelmshaven
Ende Mai startet das Landesjugendcamp der Hannoverschen Kirche in Verden – u.a. für alle, die schon konfirmiert sind. Auch wenn es aufgrund der Platzverhältnisse etwas enger zugehen wird, ein tolles Fest – und Oldenburg ist mit einem großen Zelt dabei.
Mitte Juni beginnt die UEFA Euro 2024 – die Fußballeuropameisterschaft der Männer in Deutschland. Für die einen die schönste Nebensache der Welt. Für die anderen egal. Eine digitale Arbeitshilfe fußballbeGEISTert soll helfen, als Kirche gastfreundlich dabei zu sein.
Anfang September findet das Oldenburger KonfiEvent MACH DEIN DING auf dem Jugendhof in Vechta statt – die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.
Und diese Woche traf sich die Projektleitung des Zentrums Junge Menschen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag 2025 in Hannover (30.4.-4.5.), um sich geeignete Orte für die bis zu 150 Angebote (Bewerbungen bitte bis zum 15. August!) von und für junge Menschen ab 13 Jahren anzuschauen – ein Vorschlag wurde gemacht, die Geschäftsführung entscheidet demnächst.

Das sind nur ein paar Beispiele dafür, dass Kirche „rausgeht“ und sich auf den Markt- und Fest-Plätzen dieser Welt tummelt. Bunt und einladend und mit einem herzlichen Willkommen. Oder auch mit dem Motto des nächsten Kirchentages: mutig – stark – beherzt. Möge das Wetter mitspielen.

Zwanzig Teilnehmer:innen waren am 10. April mit dabei beim Fachtag der vier evangelischen Kirchen im Nordwesten – Bremen, Reformierte, Hannover, Oldenburg – im Jochen-Klepper-Haus in Oldenburg-Osternburg.

Carina Kuznik, Dozentin für Konfi-Arbeit am Pädagogischen Institut in Villigst und Fachfrau für dieses Themenfeld, spielte wichtige Impulse ein, die zum Gespräch und zur Diskussion einluden. Nach dem Einstieg mit Wilhelmine Song „Komm, wie du bist“ vereinbarten wir für unser Miteinander die Grundprinzipien für eine queerfreundliche Atmosphäre: Alles kann, nichts muss. „Nein!“ ist ein ganzer Satz. Lachen erlaubt. Auslachen verboten. Eindrücklich und trotz gewahrter Anonymität sehr persönlich war eine Selbsterfahrungsübung: Wir schreiben auf Zettel auf, was wir an unserem Körper mögen und was auch nicht. Die Ergebnisse in einen großen Körperumriss hineingelegt waren schon sehr aufschlussreich. Es folgte ein Austausch über biografische Erfahrungen in kleinen Gruppen: Wo bin ich in meinem Leben schon einmal mit LGBTQIA+ in Kontakt gekommen? Welche Geschlechterrollenbilder waren bzw. sind für mein Leben prägend? etc. Natürlich gehört auch die Beschäftigung mit Fachbegriffen zur Auseinandersetzung mit dem Thema. Die Arbeit mit dem Genderbread war in diesem Zusammenhang sehr hilfreich, aber auch ganz schön anspruchsvoll.

Am Nachmittag gingen wir der Frage nach, was die Erkenntnisse des Vormittags für die konkrete Arbeit vor Ort austragen. Von der Regenbogenflagge im Gemeindehaus über CSD-Projekte ging es bis zu zur Frage der Bilder und Materialien für die Konfi-Arbeit. Viele biblische Texte lassen sich in der Re-Lektüre auch ganz anders lesen (Josef, David und Jonathan, Schöpfungsberichte, Elia, Zachäus etc.). Vor allem gilt es mutig zu sein und eine offene und einladende Haltung vorzuleben.

Mit viel Material – inklusive dem Link zu einem mit vielen Beiträgen gefüllten Padlet der Referentin – und einer Checkliste für die Praxis endete der Fachtag, vor allem aber mit dem Gefühl, dass andere mit uns auf dem Weg sind und es gut tut, sich gegenseitig zu vernetzen und den Rücken zu stärken. Wiederholt erwies sich das Jochen-Klepper-Haus als modernes und freundliches Gemeindehaus mit seiner tollen Willkommenskultur als wunderbar geeignet, um konzentriert und erfolgreich Denk-Räume für die Themen der Konfizeit zu öffnen.

Rücken- oder Gegenwind für die Kirche?

Den Blick schweifen lassen. Die Aussicht genießen. Den dichten Nebel überblicken. Ein wenig geht es uns vielleicht wie dem Wanderer über dem Nebelmeer, 1817 von Caspar David Friedrich gemalt. Der Wanderer ist zugleich ein Teil der Natur, die er betrachtet und zugleich ein Fremder, der urban gekleidet schroffe Felsen erklimmt.

So sollten wir es mit den sogenannten Megatrends machen, die von Wissenschaftlern ausgemacht werden. Sie wirken dauerhaft auf allen Ebenen und beeinflussen die Tiefenstruktur der Gesellschaft, mindestens international und oft auch global.
Und das sind sie, die Megatrends: Urbanisierung, Indiviualisierung, Gendershift, Wissenskultur, Silver-Society, Sicherheit, Konnektivität, Neo-Ökologie, Gesundheit, Globalisierung, New Work und Mobilität.

Und wir als Kirche sind mittendrin und fragen uns, was das mit uns macht, ob wir dem wehrlos ausgesetzt sind, ob wir dem etwas entgegenhalten können oder überhaupt sollten. Viele spannende Herausforderungen. Es lohnt, sie zu diskutieren und gute Schlussfolgerungen zu ziehen. Sowohl für die Institution als auch für die persönliche Haltung.

Bei einem eindrucksvollen Besuch in der ZEIT-Redaktion am Speersort 1 in Hamburg entdeckte ich einen Spruch, den ich mir gerne zu eigen mache, um mein eigenes Selbstverständnis und Lebensgefühl – in kleiner Münze und auf mein Umfeld bezogen – zu beschreiben:
„Du veränderst die ZEIT, die ZEIT verändert dich!“

Neue Konfi-Studie

Fast 20 Prozent aller Jugendlichen eines Jahrgangs nehmen an der Konfizeit teil. Keine andere Altersgruppe wird in so hohem Maße durch ein kirchliches Angebot angesprochen. Das klingt doch gut, oder?

Vom 4.-6. März fand in der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin eine Tagung statt, auf der sowohl eine internationale Studie (Schweden, Finnland, Ungarn, Schweiz, Norwegen, Deutschland) als auch die dritte bundesweite Studie zur Konfi-Arbeit vorgestellt wurde.

Wie sagte Bischöfin Kirsten Fehrs, die amtierende Ratsvorsitzende der EKD, in ihrem Grußwort: „Die Chancen sind groß, die Möglichkeiten, etwas zu verpassen, aber auch.“

Klar ist, dass die Studienergebnisse nur bedingt repräsentativ sind. Die Befragung, die erstmals mit dem Feed-Back-Tool i-konf durchgeführt wurde, fand 2021 statt, also mitten in der Corona-Pandemie. Deshalb haben vor allem Gemeinden teilgenommen, die in diesen herausfordernden Zeiten, die viele gelähmt haben, besonders aktiv gewesen sind.

Trotzdem geben die Antworten der fast 3.500 Konfis und über 800 Mitarbeitenden wichtige Aufschlüsse über die aktuelle Entwicklung und Bedeutung der Konfi-Arbeit. Die Bücher zu den Studien erscheinen erst im Sommer (deutsche Studie) bzw. im Herbst (international Studie). Deshalb müssen alle, die sich selber genauer informieren wollen, noch etwas gedulden.

Hier ein paar wenige Schlagzeilen aus meiner Wahrnehmung:

Konfirmation – wozu ist die noch mal gut?
Während 1972 mehr als 90% der Deutschen Bevölkerung entweder katholisch oder evangelisch war, sind es 50 Jahre später knapp unter 50%. Wurden 2008 noch ein Drittel der Jugendlichen einer Altersstufe konfirmiert, sind es 2022 nur noch ein Fünftel (ca. 140.000). Das sind immerhin aber noch fast 80% aller evangelischen Jugendlichen. Im Bereich der Gliedkirchen der EKD schwanken die Quoten regional durchaus erheblich (von über 90% bis unter 60%).
Auch in den anderen europäischen Ländern nimmt die Zahl der Konfirmationen ab. Das hat wesentlich demografische Ursachen, liegt aber auch begründet an den religiösen Traditionsabbrüchen in Familie und Gesellschaft. Was „Konfirmation“ ist und warum sie Sinn macht, ist nicht mehr selbstverständliches Allgemeinwissen. Also gilt es, auf den Marktplatz zu gehen und dafür zu werben. Klar ist aber auch: Die beste Werbung für die Konfirmation ist eine erfolgreiche Praxis.

Forschung verbessert Praxis
Die Studien zur Konfi-Arbeit und die daraus gewonnenen Erkenntnisse haben dazu geführt, dass sich an vielen Orten die Praxis geändert hat. Mehr Elemente aus der Jugendarbeit, Methodenvielfalt, mehr Wochenendaktionen, mehr und längere Freizeiten und Camps, eine ausgebaute Elternarbeit und vor allen die Schlüsselrolle von Teamer:innen kommen zum Tragen: jedes Jahr wirken 50.000 Teamer:innen in der Konfizeit mit. Konfis werden mehr und mehr beteiligt und als Subjekte ihrer eigenen Religiosität ernstgenommen.

Pfarrer:innen machen Konfi gerne
Fragt man die Pfarrer:innen nach ihre „Lieblings“-Diensten, dann folgt die Konfizeit nach Gottesdiensten und Kasualien an dritter Stelle. Dem entspricht, dass eine große Mehrheit der Konfis den Pfarrer:innen bescheinigt, dass sie auch unter teilweise sehr schwierigen Bedingungen „ihr Bestes“ gegeben haben, um ihnen eine gute Konfizeit zu ermöglichen. Eine der daraus abgeleiteten Folgerungen des Forscherteams lautet: Auch wenn Konfizeit immer mehr von einem multiprofessionellen Team verantwortet wird, wäre es unklug, Pfarrer:innen aus der Mitarbeit gänzlich abzuziehen. Zugleich macht es Sinn, dass diejenigen die Konfizeit gestalten, die dazu begabt und befähigt sind. Dank regionaler Kooperationen sind die Zeiten vorbei, in denen in diesem Arbeitsfeld „unglückliche“ Pfarrpersonen sich selbst und auch den Konfis keinen Gefallen tun.

Mit Spaß lernst du mehr über den Glauben
Immer mehr Jugendliche nehmen an der Konfizeit aus eigener Motivation heraus teil. Immer mehr Konfis machen mit, weil sie gehört haben, dass die Konfizeit Spaß macht und sie dort gute Gemeinschaft erleben. Damit zusammenhängend sagen viele am Ende der Konfizeit, dass ihre eigenen Fragen zum Glauben vorgekommen sind und sie mehr über Gott gelernt haben. Spaß haben und etwas über den Glauben lernen bedingt sich anscheinend. Wie sagte ein finnischer Kollege nur leicht augenzwinkernd: Fun, Friends & Faith wäre doch ein guter Slogan, um zur Konfizeit einzuladen.

Digitale Medien sind ein Pluspunkt
Digitale Medien bzw. Tools werden in der Konfizeit hauptsächlich zur Kommunikation verwendet. Es liegt auch auf der Hand, dass Konfis, die ganz selbstverständlich „onlife“ unterwegs sind, mehrheitlich erwarten, dass digitale Medien in ihrer Konfizeit vorkommen. Nur zur Hälfte wird der digitale Einsatz kompetent erlebt und wenn, dann sind es eher die Teamer:innen, die derart rüberkommen. Insgesamt wünschen sich aber die Konfis gar nicht unbedingt noch mehr digitale Formate im Miteinander. Digitale Medien sind demnach nicht der Game Changer. Die positive Wahrnehmung und der Erfolg der Konfizeit hängt letztendlich nicht entscheidend davon ab, ob sie digital ausgerichtet ist. Das persönliche Miteinander ist von viel höherer Bedeutung für die Zufriedenheit. Manche Antworten lassen sogar vermuten, dass die Konfizeit sogar eine gute Gelegenheit sein könnte, mal für eine Weile nicht permanent online zu sein.

Nonfirmand:innen, Abbrecher:innen, Neu Getaufte
Aus der skandinavischen Forschung kommt die Bezeichnung der evangelischen Jugendlichen, die sich nicht konfirmieren lassen, als Nonfirmand:innen. Dass der Anteil dieser Gruppe zugenommen hat, verdankt sich, wie oben schon erwähnt, der Zunahme der individuellen Teilnahmeentscheidung.
Stetig nimmt seit einigen Jahren auch die Zahl derjenigen zu, die während der Konfizeit die Teilnahme abbrechen (2022 – 8%; 2008 – 2%).
Eine ebenfalls noch zu wenig beachtete Gruppe sind die Jugendlichen, die sich erst im Laufe der Konfizeit taufen lassen. Immerhin sind das seit vielen Jahren relativ konstant an die 6% der Konfis. Seit 2007 sind das insgesamt fast 180.000 Christen. Die Zahl derer, die sich während der Konfizeit taufen lassen, ist damit höher als die all derer, die sich pro Jahr als Erwachsene taufen lassen! Inhaltlich interessant ist die Feststellung, dass die in der Konfizeit Getauften in einem deutlich höheren Maß ihre Glaubensfragen bearbeiten konnten als alle anderen Teilnehmer:innen.

Fröhlich experimentieren
Was tun angesichts der vielen Erkenntnisse? Es gibt, so sagte es ein Referent zum Abschluss der Tagung, keinen Grund, sorgenvoll zu fragen, ob die Konfi-Arbeit eine Zukunft hat. Es geht darum, immer wieder neu zu sondieren und zu experimentieren, wie sie eine Zukunft hat!
Die aktuelle Kirchen-Mitgliedschafts-Untersuchung (KMU 6) zeigt ja auf, wie wichtig die Konfi-Arbeit für die religiöse Bildung junger Menschen ist. Vielleicht etwas pointiert hat das ein von mir sehr geschätzter Experte mal zusammengefasst: „Die Konfirmation ist die neue Mutter der Kirche.“

Beitragsbild: Prof. Dr. Henrik Simojoki, eines der Mitglieder der Forschungsgruppe der Konfi-Studie, präsentiert in einem der zahlreichen Workshops Studienergebnisse zum Thema „Lernen in der Konfi-Zeit“.