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Jahrestagung der Berater:innen in der Konfi-Arbeit

Noch sind wir uns nicht ganz einig. Wie gehen wir mit den Erfahrungen der Corona-Krise um?
Die einen sagen, wir müssen noch genauer hinschauen, wie es den Akteur:innen gerade jetzt geht. Und bitte, bitte, nicht einfach nur anknüpfen an das, was vorher lief. Endlich wieder alles machen wie früher. Nein! Stopp! Die anderen sagen: Lasst uns gelassen einfach mal was machen. Auch gerne anders. Genug Stoff also für die Jahrestagung der Berater:innen in der Konfi-Arbeit vom 16.-18. Januar 2023 im Religionspädagogischen Institut in Loccum.

Dr. Kathinka Hertlein, Impulsgeberin der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend (aej) hat die maßgeblichen Studien zu den Auswirkungen von Corona auf junge Menschen befragt. Und stellt fest, dass die Corona-Krise wie ein Brennglas die allgemeine Krisensituation der jüngeren Generationen sichtbar macht. Und verschärft. Noch mehr sind unzufrieden mit ihrer Lebenssituation, fühlen sich alleine und leiden an psychischen Auffälligkeiten. Der Anteile derer, die ohnehin schon in unserer Gesellschaft benachteiligt sind, hat sich verdoppelt! Fast 50 % der Jugendlichen machen sich Sorgen um die Zukunft. Sie fühlen sich höher verunsichert in den Übergängen ihres Lebens und insbesondere Schüler:innen beklagen, dass sie nur noch als Leistungsträger:innen angesehen werden: Lernen, lernen, lernen – und deshalb wäre es doch klug, die Ferienzeiten zu reduzieren. Was soll das denn bitteschön?

Um die Krise oder genauer die vielerlei Krisenherde (Jugendliche, Ehrenamt, Beruflichkeit, Ressourcen) zu meistern, schlägt Kathinka Hertleinin Anlehnung an einen neutestamentlichen Christus-Hymnus (Philipper 2, 5-11) einen Dreischritt vor.

1. Menschwerden – wir hören ernsthaft uns selbst, den jungen Menschen im Sozialraum und Gott zu.
2. Entäußern – mit niederschwelligen Angeboten und Schulungen entwickeln wir Potenziale und wagen den Re-Start mit dem Motto: Auch unscheinbare Anfänge sind wertvoll. Dazu gehört auch die Frage, welche Errungenschaften aus der Corona-Zeit fortgeführt werden sollten.
3. Emporheben – wir heben den Blick und sind dankbar für die Erfahrungen der Verbundenheit im ersten Lockdown und diskutieren über ethischen Handeln in der Krise.

Einen kleinen Anfang haben wir auf unserer Tagung gemacht mit einer SOAR-Analyse (Strengths, Opportunities, Aspirations, Results) und Praxisimpulsen, die wir uns überlegt und miteinander auf ihre Alltagstauglichkeit geprüft haben.

Was mir bei alle diesen Schritten am Herzen liegt: Es geht darum, jede und jeden nach den eigenen persönlichen Erfahrungen zu befragen. Und sich bei dieser Anteilnahme nicht gegenseitig zu bewerten, sondern sich gegenseitig zu ermutigen und zu stärken.
Dazu gehörte ganz am Anfang unserer gemeinsamen Zeit eine Austausch über unsere Sorgen im Bezug auf die gegenwärtige Situation. Wir durften dienstliche Sorgen draußen auf den Karton schreiben (siehe Beitragsbild) und die persönlichen innen rein.
Dass dabei viele Themen, die scheinbar nur am Rand mit der Konfi-Arbeit zu tun haben, zur Sprache kamen, war zu erwarten. Mal schauen, was wir mit unserer Sorgenwand am Ende anstellen…

Eine sehr schöne Nachricht zum Schluss: Unter den elf Menschen, die ihre Weiterbildung zur Konfizeit-Berater:in abgeschlossen haben, ist aus der oldenburgischen Kirche Pastorin Carina Böttcher aus Delmenhorst dabei. Die allerherzlichsten Glückwünsche, liebe Carina!


Oder: Das Kintsugi-Prinzip

Manchmal zerbrechen Dinge. Fallen runter. Gehen kaputt. Ein Scherbenhaufen. Das ist nicht schön.
Die Kintsugi-Technik steht in der Tradition einer alten japanischen Teekunst, die sich im Rahmen der Wabi-Sabi-Ästhetik entfaltet hat. Nicht die offenkundige Schönheit ist das Höchste, sondern die verhüllte. Der bemooste Fels, die knorrige Kiefer, der leicht angerostete Teekessel. Die Einfachheit und die Wertschätzung der Fehlerhaftigkeit stehen im Zentrum der Anschauung. Keramik- oder Porzellanbruchstücke werden mit Lack geklebt, mit Kittmasse ergänzt und feinstes Pulvergold oder auch Silber und Platin eingestreut. Die am Ende deutlich sichtbaren Bruchlinien sorgen für ganz eigene Dekorationseffekte.

Vielleicht ist das ein gutes Bild, um mit all den Dingen umzugehen, die zerbrochen sind. Sei es im wörtlichen und ganz besonders auch im übertragenen Verständnis.

Viel wird gerade darüber diskutiert, welche langfristigen Auswirkungen Corona für die Psyche junger Menschen hat. Die Lockdown-Zeiten mit Schulausfällen, wenig sportliche Bewegungsangebote, mangelnden Chancen zu echten und ungefährlichen Begegnungen und die ganz allgemeine Zukunftsangst haben in der Seele vieler Kinder und Jugendlicher Verletzungen verursacht. Dazu kommt, dass die Familien, die in persönlichen Krisenzeiten oft Halt bieten, allesamt ebenfalls von den vielen Sorgen und Ängsten betroffen waren.

Die Ägypterin Hagar steht trotz der Freude über ihren Sohn Ismael vor einem Scherbenhaufen und einer unsicheren Zukunft. Dennoch fühlt sie sich in ihrer Not von Gott wahrgenommen und nennt ihn im ersten Buch Mose im 16. Kapitel El-Roi, was übersetzt heißt: Gott sieht nach mir! Spannend, dass Hagars vertrauensvolle Aussage uns durch das Jahr 2023 als Losung begleitet.

Gerade heute treffen in Lützerath Klimaschützer:innen aller Couleur und die Polizei aufeinander. Friedlicher Protest und Aggression angesichts der Sorge um die Zukunft unseres Planeten vermischen sich und der Rechtsstaat ist gezwungen, die Interessen der großen Energiekonzerne durchzusetzen. Auch hier entstehen Scherben, die sich nicht einfach mal so schnell kitten lassen.

Ich habe mich gefreut, dass der CVJM Deutschland seine Grußkarte mit der Jahreslosung mit einer durch die Kintsugi-Technik wiederhergestellten Schale interpretiert hat:
Kintsugi – der Bruch wird vergoldet – eine Kostbarkeit entsteht.

Für mich persönlich und auch für unseren Dienst steckt darin viel Trost und Zuversicht. Auch wenn die ganze Welt und unser eigenes Leben in Scherben liegt, dürfen wir darauf vertrauen, dass der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Vater Jesu aus Nazareth, mich und uns sieht. Mit meiner, mit unserer Not und all unseren Verletzungen. Das tut gut und lässt uns nicht am Dasein verzweiflen. Es gibt Kraft für einen Neuanfang. Mit viel Mühe und Liebe zum Detail dürfen wir uns deshalb an die Arbeit machen, aus den Scherben wieder etwas Brauchbares zu machen. Die Bruchlinien werden dabei nicht versteckt, sondern mit glanzvollen Farbtönen verziert. Unsere Unvollkommenheit ist das Besondere.

Kräfte für die Zukunft

„Die Zukunft ist ja eigentlich vorbei“, sagen Leute angesichts der permanenten Krisensituation. So berichtete es der Zukunftsforscher Matthias Marx im Rahmen des ersten Kacheltalks, an dem über 150 Menschen am vergangenen Mittwoch (9.3.2022) aus der ganzen Republik und darüber hinaus teilnahmen.

Es nützt nichts, angesichts der Sorgen der Menschen. Purer Optimismus im Sinne von „alles wird gut“ kann genauso grausam sein (Cruel Optimism) und zur mindestens neurotisch machen wie der auch nicht zu empfehlende Pessismismus, der immer schon gewusst hat, dass die Sache schlimm ausgeht. Und in Notlagen immer nur mit „Gott“ zu argumentieren, mag im religiösen Kontext funktionieren, baut aber keine Brücke in die Welt derer, die auch ohne eine überirdische Hoffnung den Kopf nicht in den Sand stecken wollen.

Die Macht der Hoffnung entfaltet sich da, wo wir unsere zu einfältig gestrickten Konstruktionen der Welterklärung ad acta legen und unseren Hoffnungsmuskel so trainieren, dass er mit der Realität mental zurecht kommt.

Was sind die Gegenkräfte, um Terror und Gewalt zu überwinden?
Fünf Kräfte der Zukunft empfiehlt Matthias Horx:
Die WUT kann Wunder wirken.
Die BESCHÄMUNG verbindet die Opfer der Gewalt mit denen, die helfen können.
Die VERACHTUNG trifft den Tyrannen, weil sie ihm klarmacht, dass seine Sehnsucht, geliebt und verherrlicht zu werden, nicht in Erfüllung geht.
Die VERNUNFT ist eine scharfe Waffe gegen die Lüge.
Die HOFFNUNG, die nicht gebrochen wird, bringt den Tyrannen zu Fall.

Einen ausführlichen Essay zum Thema mit der vollständigen Beschreibung gibt es hier:
https://www.horx.com/91-der-krieg-und-unsere-zukunft/

Was mich im Zusammenhang mit der Konfizeit beschäftigt, ist die Gedanke, welche Zukunftskräfte wir denn bei unseren Konfis wecken wollen. Die von Matthias Horx angeführten Kräfte sind ja erst mal nicht die, die wir in unseren Kursprogrammen vorgesehen haben.

Gestern noch habe ich in einem Zeitschriftenartikel darüber nachgedacht, ob Dietrich Bonhoeffer für Konfis von Bedeutung ist. Sowohl, was seinen Lebensweg angeht als auch seine Theologie.

Und dann höre ich heute auf dem Allgemeinen Pfarrkonvent einen nachdenkenswerten Vortrag von Prof. Dr. DDr. h. c. Ulrich H.J. Körtner aus Wien. Zum Thema „Theologie für die Krise – Theologie in der Krise“ referiert er 16 Thesen. Er erinnert dabei an die Dialektische Theologie, die nach dem Ersten Weltkrieg für einen theologischen Neuaufbruch sorgte und vom Schweigen Gottes in der Krise. Für Körtner steht das Vertrauen auf Gottes Allmacht und sein Handeln in der Welt nicht im Widerspruch zur Verantwortung des Menschen.
Krisentheologie ist Wartende Theologie. Erwartungsvoll erhofft sie das Kommen Gottes, der uns insbesondere durch die biblische Überlieferung anspricht. Die Kirche legt dabei nicht die Hände in den Schoß; sie wartet, indem sie arbeitet, das biblische Zeugnis hütet und zu manchen Themen auch qualifiziert schweigt. An dieser Stelle kommt Dietrich Bonhoeffer ins Spiel, der in einem Brief aus der Haft im Mai 1944 zur Taufe an sein Patenkind (Widerstand und Ergebung – S. 145ff) schreibt, das unser Christsein in dreierlei besteht, nämlich im Beten – und damit ist das ganze Spektrum geistlichen Lebens gemeint – und im Tun des Gerechten unter den Menschen und im Warten auf Gottes Zeit: „Es wird eine neue Sprache sein, vielleicht ganz unreligiös, aber befreiend und erlösend, wie die Sprache Jesu.“

Einer der vielen Gedanken, die bei mir durch Ulrich Körtner angeregt werden, ist die Überlegung einiger Religionspädagog:innen, in unserem Reden von Gott in der Begegnung mit jungen Menschen für eine geraume Zeit ganz bewusst auf das Wort „Gott“ zu verzichten. Es mal auszuhalten, dass wir nicht für alles, was wir nicht erklären können, einen Adressaten haben, dem wir das Rätselhafte systematisch, souverän, vollmundig oder wie auch immer zuschreiben. Ohne gemeinsam darüber gesprochen zu haben, wen wir da eigentlich mit meinen.

Gerade hatte ich Bonhoeffers Schriften „Widerstand und Ergebung“, „Nachfolge“ und „Ethik“ beiseite legen wollen. Ich glaube, ich lasse sie doch lieber in Reichweite auf dem Bücherstapel…


Wir sind glücklich und zufrieden nach einem tollen KonfiCamp wieder daheim!

Klingt als Fazit (fast) irgendwie selbstverständlich, ist es aber nicht.
Neben all den Unwägbarkeiten, die einem auf einer Freizeit widerfahren können, ist zu bedenken, dass vor ein paar Monaten noch gar nicht klar war, ob es ein analoges KonfiCamp geben kann oder uns Corona nicht zum zweiten Mal nach 2020 einen Strich durch die Rechnung macht.

Es wird viel darüber gesprochen, welche Rahmenbedingungen und Folgen die Pandemie für das Miteinander von Menschen mit sich bringt und was davon bleiben wird. Hier ein paar Eindrücke von unserer Camp-Woche:

  • Die Konfis sind inzwischen Profis im Umgang mit Corona-Tests und Maskenetikette. Die Durchführung des notwendigen Selbsttests unter Aufsicht während des Camps wurde diszipliniert und ohne große Umstände durchgeführt – wir waren schon ein wenig nervös und dann erleichtert, nachdem ausnahmslos alle Tests negativ ausgefallen waren. Auch das alle nur mit einem zertifizierten Testnachweis überhaupt mit zum Camp fahren durften, war keiner Diskussion wert.
  • Das Maskentragen auf den Wegen zum und im Speisesaal, den wir uns mit einer Münchner Gruppe teilten, war selbstverständlich und musste nicht groß nachgefordert werden. Im Gruppenplenum und in den Hütten konnten wir auf Masken verzichten. Hier war auch kein großer Unterschied im Distanzverhalten zwischen Aktivitäten draußen und drinnen zu spüren. Viel trugen ihre Masken schnell verfügbar und entspannt unter dem Kinn oder am Ellenbogen spazieren.
  • Waren wir am Anfang noch eher zurückhaltend bei Spielen und Aktionen, bei denen körperlicher Kontakt vorkam, entwickelte sich im Laufe der Tage eine größere Unbefangenheit. Als gleichbleibende Kohorte wuchs das Vertrauen, dass Nähe nicht mit Gefahr verbunden sein muss. Einige Konfis hielten sich in „dichteren“ Situationen dennoch zurück, hätten das aber auch wohl ebenso vor Corona getan. Eine gleichzeitig Nutzung einer Tischtennisplatte mit den Münchnern wurde klug und ganz bewusst vermieden.
  • Die Teamer:innen freuten sich, nach langer Zeit der Distanz und Vorsicht wieder voll ins Gruppengeschehen eintauchen und ihre Talente einzubringen zu können. Die Herzlichkeit im Miteinander des Teams war wieder sorgenfreier spürbar: Menschen nahmen sich auch einfach mal so in den Arm!
  • Klar war auch der Umgang mit den Mitarbeiter:innen des Dünenhofs durch Maskentragen und angemessenem Abstand geregelt. Die vielen FSJler im Team haben sich uns gegenüber vorbildlich verhalten.
  • „Corona“ kam als gesondertes Thema nicht auf den Tisch. Vielleicht auch deshalb, weil zu 90 % fast alles „normal“, also wie „früher“ war. Als gute und bleibende Gewohnheit könnte sich das regelmäßige Händewaschen vor den Mahlzeiten bzw. die Desinfektionsstation vor dem Speisesaal etablieren. Über die Möglichkeit, sich jetzt als Jugendlicher auch impfen zu lassen, wurde aber schon gesprochen. Zwei Teilnehmer:innen reisten ein paar Stunden vor Campende ab, weil an diesem Tag ihre zweite Impfung anstand; darauf freuten sie sich.
  • Bei den Ausflügen wurden unterschiedliche Erfahrungen gemacht: Im Kletterpark wurde allein schon durch die Parcoursnutzung ein gewisser Abstand zu anderen Gruppen gewahrt. Auf der Schifffahrt zu den Seehundbänken war an Bord eine gewisse Enge nicht zu vermeiden und das Masktentragen im Außenbereich war keine Pflicht.
  • Im Kontakt zu Einzelnen gab es bei mir immer wieder fast automatisch den Gedanken, ob der Abstand beim Gespräch oder bei einer Aktion jetzt auch wirklich ok und erlaubt ist. Manchmal gab es einen unbewussten und/oder besorgten Schritt zurück: Sicher ist sicher!
  • Die Tatsache, dass wir unser KonfCamp durchführten, weckte bei den Eltern keine nennenswerten Bedenken. Viele freuten sich vielmehr, dass ihren Kindern die Möglichkeit geboten wurde, wieder mit anderen im Freizeitbereich unterwegs zu sein. Auch die Konfis genossen nach unserer Wahrnehmung das gemeinsame ungezwungene Chillen und Austoben als Gruppe.

Manchmal haben wir uns mitten im Camp-Alltag einfach nur gefreut, dass diese Form des miteinander Lebens und Lernens nach gefühlt ewigen Zeiten wieder möglich ist.
Für die meisten Konfis und Pastor:innen kam die bisherigen Konfizeit sehr kontaktarm daher und konnte oftmals nur digital gestaltet werden. Eine Woche KonfiCamp ist in diesem Zusammenhang eine Wohltat, um Gruppe zu werden und Gemeinschaft zu erleben. Wir haben das sehr genossen!

Ein paar Impressionen gibt es als Zugabe. Das Beitragsbild wurde durch den Wunsch eines Camp-Geburtstagskindes inspiriert: „Ich wünsche mir den Weltfrieden!“