Was der Seele junger Menschen helfen kann

„Unsern Kindern geht´s nicht gut“ titelt die ZEIT vom 22. August. Das Dossier stellt eine Klinik für Kinder- und Jugendpsychatrie in Potsdam vor. Und im Ressort WISSEN wird gefragt: „Können wir euch helfen?“ Wissenschaftler warnen vor der psychischen Krise einer ganzen Generation. Fünf Jahre lang haben mehr als 50 Fachleute aus vielen Ländern die Seelenlage von Kindern und Jugendlichen rund um den Globus erforscht.

Das eindeutige Ergebnis: Psychische Probleme unter jungen Menschen haben in den letzten zwei Jahrzehnten massiv zugenommen. Jetzt sei für alle, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, womöglich die letzte Chance, aktiv zu werden.
Schädliche Megatrends wie unzureichende Maßnahmen gegen den Klimawandel, eine unsichere digitale Welt, soziale Ausgrenzung, unsichere Arbeitsverhältnisse, eingeschränkter Zugang zu bezahlbarem Wohnraum und Ungleichheit zwischen den Generationen sorgen für eine globale Krise. Und sorgen dafür, dass fast jedes vierte Kind psychische Auffälligkeiten (Stand Herbst 2022) zeigt. 45 Prozent der Krankheitslast der 10-24-Jährigen gehen auf entsprechende Störungen zurück.

In Deutschland wurden keine Zahlen erhoben – es gibt auch nicht sehr viele. Trotzdem können viele von uns, die sich mit Kindern und Jugendlichen beschäftigen, diesen Trend auch bei uns feststellen. Nach der Coronapandemie ist die Zahl der Depressionen zwar wieder auf das Vor-Corona-Niveau zurückgegangen, aber Angstsymptome, Verhaltensauffälligkeiten, emotionale Probleme, Hyperaktivität und Schwierigkeiten mit Gleichaltrigen bleiben erhöht.

Berichte über Freizeitmaßnahmen aus diesem Sommer bestätigen landauf, landab eindeutig, dass viel mehr junge Menschen psychisch belastet sind. Das fällt im Alltag oft nicht so auf, weil viele sich in sich zurückziehen, wenn sie Probleme haben. Wenn die Anspannung der Schule für eine Weile fort ist, treten innere Konflikte umso deutlicher zutage.

Auch von daher macht es Sinn, wenn in all unseren Bezügen der Kinder- und Jugendarbeit gute Schutzkonzepte erarbeitet und eingeübt werden, die Sicherheit geben und Räume für Gespräche und seelsorgerlichen Beistand öffnen.

Wie kann Kindern und Jugendlichen in dieser Situation konkret geholfen werden?
Eltern, Lehrkräfte, Trainer:innen, Jugendarbeiter:innen etc. müssen eine Unsicherheitstoleranz entwickeln, d.h. unklare Situationen als Krise aushalten lernen und besonnen handeln. Das erinnert mich ganz konkret an unser KonfiCamp im Blockhaus Ahlhorn vor ein paar Wochen. Da hatten wir am letzten Abend genau so eine Situation, in der es darauf ankam, nicht in Panik zu verfallen, sondern einen kühlen Kopf zu bewahren.

In der Zeit der Pubertät werden neben den Eltern andere Menschen zunehmend wichtig, um Konflikte zu erkennen und dann auch zu bearbeiten. Andere Eltern, bei denen die Tochter oder der Sohn öfters zu Gast sind, eine gute Freundin, der beste Freund. Und vielleicht, so wird ausdrücklich erwähnt, schlägt jetzt die Stunde der Patentante oder des Patenonkels. Sie können zu Vertrauten und hilfreichen Ansprechpersonen des Teenagers werden.

Tauchen psychische Probleme auf, sind Kinder- und Hausärzt:innen die erste Anlaufstelle, ebenso sozialpädiatrische Zentren und Familienberatungsstellen.

Viele Informationen zum Thema psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen finden sich auf dem Portal ich-bin-alles.de.

… und eine Open Access-Version

Seit wenigen Wochen ist das Buch zur dritten bundesweiten Konfi-Studie erschienen. Konfi-Arbeit in und nach der Corona-Pandemie lautet der Titel. Diese Überschrift besagt schon, dass die Ermittlung der Daten für die Studie unter schwierigen Umständen zustande gekommen sind, was die Repräsentativität der Ergebnisse natürlich beeinflusst.
Dennoch lohnt es sich, sich mit der Fülle der aufgeführten Daten und den Schlussfolgerungen, die sich daraus ergeben, zu beschäftigen. Wer ein Buchexemplar bekommen möchte, kann sich gerne an die Konfizeit wenden. Wir haben einige Exemplare vorrätig. Für alle, die digital in das über 325 Seiten starke Werk schauen möchten, bietet sich die kostenfrei zugängliche Open Access-Version an, die auf der Seite konfirmandenarbeit.eu bald heruntergeladen werden kann – gerade gibt es noch technische Probleme.
Erwähnt werden soll an dieser Stelle, dass die Befragung zur aktuellen Studie mit dem digitalen Feedback-Tool i-konf erhoben wurde, dass grundsätzlich für die Rückmeldekultur auf lokaler Ebene entwickelt wurde.

Wichtige Ergebnisse der dritten bundesweiten Studie sind bereits bei einer Tagung im März in Berlin vorgestellt worden. Im Grundsatz ergänzt die Studie die KMU 6, indem die Konfizeit als Schlüsselort der religiösen Sozialisation erkannt wird.

Neben grundsätzlichen Erhebungen im Rahmen der Studienfortschreibung setzt die Studie besondere Akzente. Es wird ein genauerer Blick auf die Konfi-Arbeit unter Corona-Bedingungen geworfen. Digitale Medien mit ihren Potenzialen und Grenzen sind ebenso im Blick wie vertiefte Einblicke in das Lehren und Lernen. Erfahrungsorientierte Konfi-Arbeit wird als Erfolgsmodell bestätigt. Besonders in den Blick werden nicht getaufte Jugendliche genommen, die sich aus ganz unterschiedlichen Gründen dennoch für die Konfizeit angemeldet haben. Außerdem gibt es einen Ausblick auf die internationale Studie zur Konfi-Arbeit, die in ein paar Monaten erscheinen wird.

Ausführliche Erträge der dritten bundesweiten Studie können an dieser Stelle nicht angemessen dargestellt werden. Eine knappe Zusammenfassung gab es bereits im März hier auf diesem Blog: https://www.kajak-oldenburg.de/fun-friends-faith/2024/03/

Dir geht es nicht gut, oder?

Manchmal hilft eine Frage, um zu zeigen: Ich bin für dich da, wenn du willst.
Wie sorgen wir dafür, dass es Konfis gut geht? Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich die diesjährige KonfiCamp-Tagung vom 24.-26. Januar im Evangelischen Zentrum Kloster Drübeck.

Über das weite Feld Psychischer Erkrankungen informierte Dr. Maike Dohmann vom Universitätsklinikum Eppendorf (UKE).
Es ist ja klar, dass in einer Gesellschaft, in der auch Kinder und Jugendliche überall funktionieren müssen, eine Freizeit ein Ort sein kann, an dem Zeit und Raum dafür ist, dass Stressfaktoren des Lebens zum Vorschein kommen.
Wie sichere ich das Wohl der jungen Menschen ab? Und wie sichere ich mich in meiner Rolle ab?
Selbstverletzungen, Ess-Auffälligkeiten, Alkohol- und Drogenkonsum und auch Suizidalität sind nur einige der Symptome, die auftreten können. Deutlich wurde, dass es keine einfache Antwort auf die Frage gibt, wie das verantwortliche Team in diesen jeweils individuellen Situationen richtig reagiert. Unsere eigenen Kompetenzen haben ihre Grenzen. Die Ärztin rät klar dazu, in gutem Kontakt mit Fachmenschen z.B. von Beratungsstellen zu stehen, um sich auch kurzfristig Rat zu holen. Und lieber einmal mehr bei Zweifeln eine ärztliche Praxis oder ein nahegelegenes Krankenhaus aufzusuchen und sich mit den Erziehungsberechtigten abzustimmen. Nicht zuletzt hinterlässt eine psychische Belastungssituation oft reichlich traumatische Erlebnisse in der Camp-Gemeinschaft. Da ist viel zu reden und entsprechend vor- und nachzusorgen.
Eine Erkenntnis vieler Teilnehmer:innen: Für all diese wichtigen Gespräche im Zusammenhang von psychischen Belastungen ist oft viel zu wenig Zeit. Wir haben das auch als Anfrage an unsere Organisationsstruktur gesehen: Nicht alle Zeit und alle Menschen ver-planen, sondern frei-räumen für die persönliche Begegnung.

Mit Pädagogischen Interventionen beschäftigte sich der Workshop von Toni Menzel, Religions- und Sozialpädagoge aus Dresden. Wie so oft entscheidend über eine erfolgreiche Intervention ist eine gute Beziehung als Schlüssel der Prozessbegleitung. Wer feinfühlig und verfügbar ist, den Austausch und die Auseinandersetzung sucht, einen Vertrauensvorschuss bietet und Vorbild ist, kann besser intervenieren.
Wer auffällig-störendes Verhalten beobachtet, kann tragfähige Hypothesen bilden. Jedes – auch negative – Verhalten hat einen guten Grund. Gemäß der Maslowschen Bedürfnishierarchie werden die „höheren“ Bedürfnisse (Wachstumsmotive) erst aufgerufen, wenn die darunter liegenden in einem gewissen Ausmaß befriedigt sind. Viele Erfahrungen belegen, dass es bei vielen Störungen darum geht, dass Grundbedürfnisse (körperliche Ebene, Sicherheit, soziale und individuelle Bedürfnisse) noch nicht ausreichend befriedigt sind. Ein Konfi, dem der Magen knurrt, kann sich nur schwer auf kognitive Herausforderungen konzentrieren, geschweige denn seine Gottesbeziehung betrachten.
Zur pädagogischen Interventionstrategie gehört die Frage nach den Grenzen. Ja, jeder von uns braucht welche, um sich an ihnen zu reiben. Grenzen setzen sollte man am besten, bevor sich eine Auseinandersetzung hochschaukelt. Kurz und knapp beschreiben, was ich an gewünschtem Verhalten will. Und bitte nicht immer „bitte“ sagen. Und wenn es klappt, wird natürlich gelobt!
Auch die eigenen Grenzen sind wichtig. Fühle ich mich persönlich angegriffen oder weiß auch gerade keinen Rat, dann ist es gut und legitim, Distanz und Zeit zu schaffen, um später eine Lösung zu finden.
Immer wieder geht es darum, Struktur zu geben bzw. aufzulösen, umzulenken (erstaunlich aber wahr: Manchmal hilft schon ein Stück Schokolade oder ein Glas Wasser, um einer heftigen Wut den Wind aus dem Segel zu nehmen), positiv zu verstärken, zu konfrontieren oder/und ein Time-Out zu vereinbaren.

Der dritte Baustein im Care-Paket war die Beschäftigung mit dem Thema Awareness bzw. mit dem Präventionskonzept auf KonfiCamps. Die neue Wittenberger KonfiCamp-Leitung hat sich das auf die Fahne geschrieben und möchte schon für die Camps in diesem Jahr das bisher schon bewährte Schutzkonzept noch einmal verbessern. Bausteine dafür sind u.a. die Themen Parteilichkeit, Selbstreflexion, Schulungen, Transparenz, Awareness-Team, Externe Expertise…

Als prima Ergänzung zum Titel „Care for Konfis“ fand am 29.1. ein kleiner Fachtag zu Belastungen junger Menschen im Ev. Bildungshaus Rastede statt. Das Landesjugendpfarramt hatte Dieter Walf eingeladen. Er stellte die vielfältige Arbeit der Psychologischen Beratungsstelle und Erziehungsberatungsstelle Cloppenburg mit Außenstellen in Friesoythe und Barßel vor. Beratungsstellen dieser Art gibt es in jedem Landkreis. Sie sind mit ihrer fachlichen Kompetenz eine wichtiger Netzwerkpartner in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Es lohnt sich, in den jeweiligen Regionen Kontakt aufzunehmen. Und für alle, die in Not sind und kurzfristig eine Beratung brauchen: Innerhalb einer Woche bekommen z.B. in Cloppenburg über 90% aller Ratsuchenden einen Ersttermin.
Einige Fragen zu konkreten Belastungserfahrungen konnten an diesem Fachtag eingebracht und im Rahmen der Möglichkeiten beantwortet werden. Ein Ergebnis ist, dass es zukünftig mehrmals im Jahr ein Online-Forum geben wird, in dem sich alle Interessierten mit ihren konkreten Anliegen austauschen und gegenseitig unterstützen können.

„Es regnet. Trotzdem gehe ich mit meinem Hund raus.“ „Auch wenn alles auf einen einstürmt und der Mut einen verlässt, weil man die Augen nicht vor dem Elend schließen kann, sehe ich trotzdem auch das Schöne in der Welt.“

Solche und andere „trotzdem“ oder auch „trotz dem“ – Sätze finden sich auf der Kampagnenseite zum heutigen Buß- und Bettag. Lohnt sich ein Blick drauf! Und wer mag, schreibt einen eigenen Satz dazu!

Worum geht´s?

Wann werden die Zeiten endlich besser? Wann hören wir morgens keine Nachrichten mehr vom Krieg und von der Klimakatastrophe? Wann können wir uns wieder auf ein Leben freuen, in dem wir uns wertschätzend und liebevoll begegnen? – Die Zeiten sind härter geworden, die Konflikte unversöhnlicher. Und mittendrin stehen wir mit unserer Sehnsucht nach Frieden, nach einer intakten Umwelt, nach Wertschätzung und nach Liebe.

Trotzdem! Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Oder besser: Gott hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Auch wenn viele Menschen immer wieder viele Fehler machen, auch wenn wir persönlich Schuld auf uns laden, Gott liebt uns trotzdem, das sagt die Bibel. Das ist kaum zu glauben und schwer zu verstehen. Aber ist diese Zusage nicht wunderbar?

Der Buß- und Bettag ist eine gute Gelegenheit, diesem Gedanken nachzugehen. Auf der Website gibt es dazu viele Anregungen. Hier kann man Wünsche und Klagen aufschreiben, Gebete anderer teilen. Man kann sich selbst die Frage stellen: „Was ist mein persönlicher Trotzdem-Moment“?

Was mich bezüglich des Buß- und Bettags als kirchlicher Feiertag nachdenklich stimmt: Eine Pastorentochter sagte mir vorhin, sie hätte sich schon gewundert, warum in dieser Woche da mitten drin ein Tag so rot markiert wäre. Ist doch ein ganz normaler Arbeitstag, dieser Mittwoch… – ok, der Buß- und Bettag ist 1995 zur Finanzierung der Pflegeversicherung in allen Bundesländern außer in Sachsen als gesetzlicher Feiertag ersatzlos gestrichen. Trotzdem…

Ökologischer Anstand als Bildungsauftrag

In ihrem Buch All you need ist less plädieren die Autoren Manfred Folkerts und Niko Paech für eine Kultur des Genug. Achtsamkeit und Nachhaltigkeit zu Modeworten geworden. Zwei Experten auf diesem Gebiet loten aus, welche Potenziale sich aus ökonomischer und buddhistischer Sicht ergeben, um unseren zerstörerischen Wachstumspfad zu verlassen. Der Fachbegriff für eine Haltung, die die Menschheit vor dem drohenden Kollaps bewahrt, heißt Suffizienz (lat. sufficere – genügen) – wir produzieren und konsumieren in Zukunft weniger und begrenzen dadurch unseren Energie- und Materialverbrauch.

Der buddhistische Ansatz Manfred Folkerts weist dabei viele Parallelen zur christlichen Ethik auf – für ein mitweltfreundliches Leben ist dabei für ihn der religiöse Hintergrund nicht von entscheidender Bedeutung. Wer, aufgrund welcher Weltanschauung auch immer, erkannt hat, was zu tun ist, kann sein Leben ändern. Verzicht auf die Gier nach Mehr, die uns durch den gesellschaftlichen Konsumrausch beherrscht. Schluss mit der Konkurrenz, der gegenüber ich mich warum auch immer beweisen muss. Endlich die Augen aufmachen und sich nicht selbst täuschen mit der trügerischen Hoffnung, dass der Fortschritt irgendwann schon eine Lösung findet für unseren begrenzten Planeten. Meditation oder spirituelle Übungen sind dabei keine Fluchtversuche, sondern sinnvoll, um sich bewusst dem Alltag zu stellen. Für Folkerts ist klar: der Umschwung wird zwar von Individuen vollzogen, aber erst im gemeinsamen Handeln wird er zum Erfolg im Sinne einer Postwachstumsgesellschaft führen.

Niko Paech beschreibt Suffizienz als Antithese zur modernen Wachstumsorientierung. Er hat wenig Hoffnung, dass Politik, Wirtschaft und Wissenschaft den bisher eingeschlagenen Pfad verlassen werden. Ein Politiker, der Verzicht für seine Wiederwahl wirbt, wird aus dem Amt gejagt. Die Wissenschaft glaubt mehrheitlich, schon noch Lösungen zu finden für die offensichtlichen Probleme. Und die Wirtschaft kann sich nur Wachstumskurven nach oben vorstellen. Dabei ist es illusorisch zu glauben, dass unser ressourcenintensiver Lebensstil einfach nur mit angeblichen nachhaltigen, sauberen Brennstoffen aufrechterhalten werden kann. Maximal ein bis zwei Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten würden jeder und jedem Menschen auf der Welt im Jahr zustehen, wenn wir unsere Spezies auf längere Sicht erhalten wollen. Das ist nicht viel (maximal ein bzw zwei interkontinental-Flüge könnten übers Leben verteilt, drin sein).

Suffizienz ist die Kunst der Unterlassung und Verneinung. Bereiche mit einer hohen Schadensbilanz wie z.B. Berufsverkehr, Elektrizität, Infrastruktur werden reduziert. Auf sündhaften Luxus wie Kreuzfahrten, Flugreisen, SUVs, Zweitwagen und ein 48 Wochen im Jahr leerstehendes Ferienhaus wird ganz verzichtet.. In Bereichen der Grundbedürfnisse mit relativ weniger schädlichen Auswirkungen wie Nahrung, Textilien, Wohnraum, Gesundheit, Bildung, Telefon geht es um Selbstbegrenzung. Das gilt umso mehr in den Bereichen, die wir uns als kleinen Luxus gönnen wie Bücher, Fernseher, Essengehen etc.
Letztendlich wird der Wandel nur möglich, wenn einzelne den Anfang machen. Jede und jeder von uns kann von heute auf morgen genügsamer leben. Die dadurch entstehenden Vorbilder stecken andere an („Adoptionsneigung“), bis irgendwann eine kritische Masse erreicht ist. Ein mögliches Szenario: „Angenommen, in den nächsten fünf Jahren reduziert die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ihre Erwerbsarbeit auf 20 Wochenstunden und verwendet die frei gewordene Zeit darauf, zu reparieren, zu tauschen, immer mehr Dinge selbst herzustellen und gemeinsam zu nutzen, nicht mehr zu fliegen, ihr Auto abzuschaffen, ihren Fleichkonsum markant zu verringern, siche dem Digitalisierungswahn zu verweigern und so weiter. Dann würde der Krise die Basis entzogen, weil diese Menschen schon so leben würden, wie es nötig wäre, um in einer Rezession würdig zu existieren. Stellt euch vor, es herrscht eine Krise, und ihr merkt es nicht, weil ihr die Dinge, die nun nicht mehr verfügbar sind, gar nicht braucht.“ (S. 236)

Mich hat die Argumentation der beiden Autoren sehr beeindruckt. Und mir vor Augen geführt, dass es keinen Sinn hat, darauf zu warten, dass „die Politik und die Wissenschaft“ uns auf einen guten Weg führen wird. Die Transformation in zu einem konsumreduzierten Leben wird entweder by design – d.h. von uns selbst gestaltbar oder by desaster – wird werden aufgrund der ekalierten Lage dazu gezwungen – stattfinden.
Neu in den Blick habe ich genommen, das individuelles Wohlbefinden für uns Menschen bezüglich der Menge an Wahlmöglichkeiten an Grenzen kommt. Eine möglichst hohe Lebensqualität setzt voraus, sich auf ein begrenztes Spektrum an Gütern zu beschränken. Alles, was geht, auch zu machen, führt am Ende zu Reizüberflutung, Zeitknappheit, Stress und „Konsumverstopfung“. Am Ende ist es viel selbstwirksamer, sich auf einige Betätigungsfelder zu spezialisieren und dort mit Übung und Leidenschaft ein tieferes Verständnis und eine innigere Verbundenheit zu spüren (das habe ich übrigens gerade gestern bei einem Familiengeburtstag genauso gespürt, als eine Verwandte von ihrer Leidenschaft für Reiten erzählte!).

Was mich bezüglich der Bildungsarbeit zusätzlich in Frage gestellt hat, ist die Tatsache, dass es uns in unseren Bildungskontexten noch lange nicht gelingt, Schülerinnen und Schülern – also auch Konfis – für ein suffizienteres („genügsameres“ klingt irgendwie so altmodisch) Leben zu begeistern. Noch so viel Aufklärung und Beschäftigung mit dem Themenfeld Nachhaltigkeit bzw. Bewahrung der Schöpfung führt in der Breite nicht dazu, dass junge Menschen dem Konsumrausch und dem Wachstumswahn entsagen. Also ganz bewusst nachhaltig leben und das als einen Qualitäts- und Freiheitsgewinn empfinden. Balast abwerfen, sich dem Steigerungswahn entziehen, das Vorhandene gegen einen aufdringlichen Fortschrittswahn als auskömmlich betrachten, gemeinsam mit anderen mutig und selbstbewusst unzeitgemäß sein – eben ein maßvoller, friedlich-fröhlicher Wohlstands- und Technologieboykott.
Vielleicht – nein sogar ziemlich sicher – liegt es ja auch an meinem und unserem Vorbild…