Dir geht es nicht gut, oder?

Manchmal hilft eine Frage, um zu zeigen: Ich bin für dich da, wenn du willst.
Wie sorgen wir dafür, dass es Konfis gut geht? Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich die diesjährige KonfiCamp-Tagung vom 24.-26. Januar im Evangelischen Zentrum Kloster Drübeck.

Über das weite Feld Psychischer Erkrankungen informierte Dr. Maike Dohmann vom Universitätsklinikum Eppendorf (UKE).
Es ist ja klar, dass in einer Gesellschaft, in der auch Kinder und Jugendliche überall funktionieren müssen, eine Freizeit ein Ort sein kann, an dem Zeit und Raum dafür ist, dass Stressfaktoren des Lebens zum Vorschein kommen.
Wie sichere ich das Wohl der jungen Menschen ab? Und wie sichere ich mich in meiner Rolle ab?
Selbstverletzungen, Ess-Auffälligkeiten, Alkohol- und Drogenkonsum und auch Suizidalität sind nur einige der Symptome, die auftreten können. Deutlich wurde, dass es keine einfache Antwort auf die Frage gibt, wie das verantwortliche Team in diesen jeweils individuellen Situationen richtig reagiert. Unsere eigenen Kompetenzen haben ihre Grenzen. Die Ärztin rät klar dazu, in gutem Kontakt mit Fachmenschen z.B. von Beratungsstellen zu stehen, um sich auch kurzfristig Rat zu holen. Und lieber einmal mehr bei Zweifeln eine ärztliche Praxis oder ein nahegelegenes Krankenhaus aufzusuchen und sich mit den Erziehungsberechtigten abzustimmen. Nicht zuletzt hinterlässt eine psychische Belastungssituation oft reichlich traumatische Erlebnisse in der Camp-Gemeinschaft. Da ist viel zu reden und entsprechend vor- und nachzusorgen.
Eine Erkenntnis vieler Teilnehmer:innen: Für all diese wichtigen Gespräche im Zusammenhang von psychischen Belastungen ist oft viel zu wenig Zeit. Wir haben das auch als Anfrage an unsere Organisationsstruktur gesehen: Nicht alle Zeit und alle Menschen ver-planen, sondern frei-räumen für die persönliche Begegnung.

Mit Pädagogischen Interventionen beschäftigte sich der Workshop von Toni Menzel, Religions- und Sozialpädagoge aus Dresden. Wie so oft entscheidend über eine erfolgreiche Intervention ist eine gute Beziehung als Schlüssel der Prozessbegleitung. Wer feinfühlig und verfügbar ist, den Austausch und die Auseinandersetzung sucht, einen Vertrauensvorschuss bietet und Vorbild ist, kann besser intervenieren.
Wer auffällig-störendes Verhalten beobachtet, kann tragfähige Hypothesen bilden. Jedes – auch negative – Verhalten hat einen guten Grund. Gemäß der Maslowschen Bedürfnishierarchie werden die „höheren“ Bedürfnisse (Wachstumsmotive) erst aufgerufen, wenn die darunter liegenden in einem gewissen Ausmaß befriedigt sind. Viele Erfahrungen belegen, dass es bei vielen Störungen darum geht, dass Grundbedürfnisse (körperliche Ebene, Sicherheit, soziale und individuelle Bedürfnisse) noch nicht ausreichend befriedigt sind. Ein Konfi, dem der Magen knurrt, kann sich nur schwer auf kognitive Herausforderungen konzentrieren, geschweige denn seine Gottesbeziehung betrachten.
Zur pädagogischen Interventionstrategie gehört die Frage nach den Grenzen. Ja, jeder von uns braucht welche, um sich an ihnen zu reiben. Grenzen setzen sollte man am besten, bevor sich eine Auseinandersetzung hochschaukelt. Kurz und knapp beschreiben, was ich an gewünschtem Verhalten will. Und bitte nicht immer „bitte“ sagen. Und wenn es klappt, wird natürlich gelobt!
Auch die eigenen Grenzen sind wichtig. Fühle ich mich persönlich angegriffen oder weiß auch gerade keinen Rat, dann ist es gut und legitim, Distanz und Zeit zu schaffen, um später eine Lösung zu finden.
Immer wieder geht es darum, Struktur zu geben bzw. aufzulösen, umzulenken (erstaunlich aber wahr: Manchmal hilft schon ein Stück Schokolade oder ein Glas Wasser, um einer heftigen Wut den Wind aus dem Segel zu nehmen), positiv zu verstärken, zu konfrontieren oder/und ein Time-Out zu vereinbaren.

Der dritte Baustein im Care-Paket war die Beschäftigung mit dem Thema Awareness bzw. mit dem Präventionskonzept auf KonfiCamps. Die neue Wittenberger KonfiCamp-Leitung hat sich das auf die Fahne geschrieben und möchte schon für die Camps in diesem Jahr das bisher schon bewährte Schutzkonzept noch einmal verbessern. Bausteine dafür sind u.a. die Themen Parteilichkeit, Selbstreflexion, Schulungen, Transparenz, Awareness-Team, Externe Expertise…

Als prima Ergänzung zum Titel „Care for Konfis“ fand am 29.1. ein kleiner Fachtag zu Belastungen junger Menschen im Ev. Bildungshaus Rastede statt. Das Landesjugendpfarramt hatte Dieter Walf eingeladen. Er stellte die vielfältige Arbeit der Psychologischen Beratungsstelle und Erziehungsberatungsstelle Cloppenburg mit Außenstellen in Friesoythe und Barßel vor. Beratungsstellen dieser Art gibt es in jedem Landkreis. Sie sind mit ihrer fachlichen Kompetenz eine wichtiger Netzwerkpartner in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Es lohnt sich, in den jeweiligen Regionen Kontakt aufzunehmen. Und für alle, die in Not sind und kurzfristig eine Beratung brauchen: Innerhalb einer Woche bekommen z.B. in Cloppenburg über 90% aller Ratsuchenden einen Ersttermin.
Einige Fragen zu konkreten Belastungserfahrungen konnten an diesem Fachtag eingebracht und im Rahmen der Möglichkeiten beantwortet werden. Ein Ergebnis ist, dass es zukünftig mehrmals im Jahr ein Online-Forum geben wird, in dem sich alle Interessierten mit ihren konkreten Anliegen austauschen und gegenseitig unterstützen können.

„Es regnet. Trotzdem gehe ich mit meinem Hund raus.“ „Auch wenn alles auf einen einstürmt und der Mut einen verlässt, weil man die Augen nicht vor dem Elend schließen kann, sehe ich trotzdem auch das Schöne in der Welt.“

Solche und andere „trotzdem“ oder auch „trotz dem“ – Sätze finden sich auf der Kampagnenseite zum heutigen Buß- und Bettag. Lohnt sich ein Blick drauf! Und wer mag, schreibt einen eigenen Satz dazu!

Worum geht´s?

Wann werden die Zeiten endlich besser? Wann hören wir morgens keine Nachrichten mehr vom Krieg und von der Klimakatastrophe? Wann können wir uns wieder auf ein Leben freuen, in dem wir uns wertschätzend und liebevoll begegnen? – Die Zeiten sind härter geworden, die Konflikte unversöhnlicher. Und mittendrin stehen wir mit unserer Sehnsucht nach Frieden, nach einer intakten Umwelt, nach Wertschätzung und nach Liebe.

Trotzdem! Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Oder besser: Gott hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Auch wenn viele Menschen immer wieder viele Fehler machen, auch wenn wir persönlich Schuld auf uns laden, Gott liebt uns trotzdem, das sagt die Bibel. Das ist kaum zu glauben und schwer zu verstehen. Aber ist diese Zusage nicht wunderbar?

Der Buß- und Bettag ist eine gute Gelegenheit, diesem Gedanken nachzugehen. Auf der Website gibt es dazu viele Anregungen. Hier kann man Wünsche und Klagen aufschreiben, Gebete anderer teilen. Man kann sich selbst die Frage stellen: „Was ist mein persönlicher Trotzdem-Moment“?

Was mich bezüglich des Buß- und Bettags als kirchlicher Feiertag nachdenklich stimmt: Eine Pastorentochter sagte mir vorhin, sie hätte sich schon gewundert, warum in dieser Woche da mitten drin ein Tag so rot markiert wäre. Ist doch ein ganz normaler Arbeitstag, dieser Mittwoch… – ok, der Buß- und Bettag ist 1995 zur Finanzierung der Pflegeversicherung in allen Bundesländern außer in Sachsen als gesetzlicher Feiertag ersatzlos gestrichen. Trotzdem…

Ökologischer Anstand als Bildungsauftrag

In ihrem Buch All you need ist less plädieren die Autoren Manfred Folkerts und Niko Paech für eine Kultur des Genug. Achtsamkeit und Nachhaltigkeit zu Modeworten geworden. Zwei Experten auf diesem Gebiet loten aus, welche Potenziale sich aus ökonomischer und buddhistischer Sicht ergeben, um unseren zerstörerischen Wachstumspfad zu verlassen. Der Fachbegriff für eine Haltung, die die Menschheit vor dem drohenden Kollaps bewahrt, heißt Suffizienz (lat. sufficere – genügen) – wir produzieren und konsumieren in Zukunft weniger und begrenzen dadurch unseren Energie- und Materialverbrauch.

Der buddhistische Ansatz Manfred Folkerts weist dabei viele Parallelen zur christlichen Ethik auf – für ein mitweltfreundliches Leben ist dabei für ihn der religiöse Hintergrund nicht von entscheidender Bedeutung. Wer, aufgrund welcher Weltanschauung auch immer, erkannt hat, was zu tun ist, kann sein Leben ändern. Verzicht auf die Gier nach Mehr, die uns durch den gesellschaftlichen Konsumrausch beherrscht. Schluss mit der Konkurrenz, der gegenüber ich mich warum auch immer beweisen muss. Endlich die Augen aufmachen und sich nicht selbst täuschen mit der trügerischen Hoffnung, dass der Fortschritt irgendwann schon eine Lösung findet für unseren begrenzten Planeten. Meditation oder spirituelle Übungen sind dabei keine Fluchtversuche, sondern sinnvoll, um sich bewusst dem Alltag zu stellen. Für Folkerts ist klar: der Umschwung wird zwar von Individuen vollzogen, aber erst im gemeinsamen Handeln wird er zum Erfolg im Sinne einer Postwachstumsgesellschaft führen.

Niko Paech beschreibt Suffizienz als Antithese zur modernen Wachstumsorientierung. Er hat wenig Hoffnung, dass Politik, Wirtschaft und Wissenschaft den bisher eingeschlagenen Pfad verlassen werden. Ein Politiker, der Verzicht für seine Wiederwahl wirbt, wird aus dem Amt gejagt. Die Wissenschaft glaubt mehrheitlich, schon noch Lösungen zu finden für die offensichtlichen Probleme. Und die Wirtschaft kann sich nur Wachstumskurven nach oben vorstellen. Dabei ist es illusorisch zu glauben, dass unser ressourcenintensiver Lebensstil einfach nur mit angeblichen nachhaltigen, sauberen Brennstoffen aufrechterhalten werden kann. Maximal ein bis zwei Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten würden jeder und jedem Menschen auf der Welt im Jahr zustehen, wenn wir unsere Spezies auf längere Sicht erhalten wollen. Das ist nicht viel (maximal ein bzw zwei interkontinental-Flüge könnten übers Leben verteilt, drin sein).

Suffizienz ist die Kunst der Unterlassung und Verneinung. Bereiche mit einer hohen Schadensbilanz wie z.B. Berufsverkehr, Elektrizität, Infrastruktur werden reduziert. Auf sündhaften Luxus wie Kreuzfahrten, Flugreisen, SUVs, Zweitwagen und ein 48 Wochen im Jahr leerstehendes Ferienhaus wird ganz verzichtet.. In Bereichen der Grundbedürfnisse mit relativ weniger schädlichen Auswirkungen wie Nahrung, Textilien, Wohnraum, Gesundheit, Bildung, Telefon geht es um Selbstbegrenzung. Das gilt umso mehr in den Bereichen, die wir uns als kleinen Luxus gönnen wie Bücher, Fernseher, Essengehen etc.
Letztendlich wird der Wandel nur möglich, wenn einzelne den Anfang machen. Jede und jeder von uns kann von heute auf morgen genügsamer leben. Die dadurch entstehenden Vorbilder stecken andere an („Adoptionsneigung“), bis irgendwann eine kritische Masse erreicht ist. Ein mögliches Szenario: „Angenommen, in den nächsten fünf Jahren reduziert die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ihre Erwerbsarbeit auf 20 Wochenstunden und verwendet die frei gewordene Zeit darauf, zu reparieren, zu tauschen, immer mehr Dinge selbst herzustellen und gemeinsam zu nutzen, nicht mehr zu fliegen, ihr Auto abzuschaffen, ihren Fleichkonsum markant zu verringern, siche dem Digitalisierungswahn zu verweigern und so weiter. Dann würde der Krise die Basis entzogen, weil diese Menschen schon so leben würden, wie es nötig wäre, um in einer Rezession würdig zu existieren. Stellt euch vor, es herrscht eine Krise, und ihr merkt es nicht, weil ihr die Dinge, die nun nicht mehr verfügbar sind, gar nicht braucht.“ (S. 236)

Mich hat die Argumentation der beiden Autoren sehr beeindruckt. Und mir vor Augen geführt, dass es keinen Sinn hat, darauf zu warten, dass „die Politik und die Wissenschaft“ uns auf einen guten Weg führen wird. Die Transformation in zu einem konsumreduzierten Leben wird entweder by design – d.h. von uns selbst gestaltbar oder by desaster – wird werden aufgrund der ekalierten Lage dazu gezwungen – stattfinden.
Neu in den Blick habe ich genommen, das individuelles Wohlbefinden für uns Menschen bezüglich der Menge an Wahlmöglichkeiten an Grenzen kommt. Eine möglichst hohe Lebensqualität setzt voraus, sich auf ein begrenztes Spektrum an Gütern zu beschränken. Alles, was geht, auch zu machen, führt am Ende zu Reizüberflutung, Zeitknappheit, Stress und „Konsumverstopfung“. Am Ende ist es viel selbstwirksamer, sich auf einige Betätigungsfelder zu spezialisieren und dort mit Übung und Leidenschaft ein tieferes Verständnis und eine innigere Verbundenheit zu spüren (das habe ich übrigens gerade gestern bei einem Familiengeburtstag genauso gespürt, als eine Verwandte von ihrer Leidenschaft für Reiten erzählte!).

Was mich bezüglich der Bildungsarbeit zusätzlich in Frage gestellt hat, ist die Tatsache, dass es uns in unseren Bildungskontexten noch lange nicht gelingt, Schülerinnen und Schülern – also auch Konfis – für ein suffizienteres („genügsameres“ klingt irgendwie so altmodisch) Leben zu begeistern. Noch so viel Aufklärung und Beschäftigung mit dem Themenfeld Nachhaltigkeit bzw. Bewahrung der Schöpfung führt in der Breite nicht dazu, dass junge Menschen dem Konsumrausch und dem Wachstumswahn entsagen. Also ganz bewusst nachhaltig leben und das als einen Qualitäts- und Freiheitsgewinn empfinden. Balast abwerfen, sich dem Steigerungswahn entziehen, das Vorhandene gegen einen aufdringlichen Fortschrittswahn als auskömmlich betrachten, gemeinsam mit anderen mutig und selbstbewusst unzeitgemäß sein – eben ein maßvoller, friedlich-fröhlicher Wohlstands- und Technologieboykott.
Vielleicht – nein sogar ziemlich sicher – liegt es ja auch an meinem und unserem Vorbild…

Deine Meinung ist gefragt

„Ist mir doch egal – oder warum es sich lohnt, eine eigene Meinung zu haben.“ Mit diesem Statement begann der Vortrag von Dr. Christian Brouwer, Studienleiter für Theologie und Ethik an der Evangelischen Akademie in Loccum bei der Hauptamtlichenkonferenz der Mitarbeiter:innen der Kinder- und Jugendarbeit der oldenburgischen Kirche in der idyllisch gelegenen Pfadfinderbildungsstätte Sager Schweiz am 28. Februar 2023.

Es ging das grundgesetzliche Recht auf eine eigene Meinung und auf einen entsprechenden Widerspruch dazu. Die öffentliche Meinung vervielfältigt sich durch soziale Medien und reduziert sich oftmals in weltanschaulichen Blasen wieder auf einen kleinen Ausschnitt. Meine eigene Meinung muss ich mir aber immer noch selbst bilden und am besten auch noch begründen. Am Ende steht angesichts von ethischen Entscheidungen, egal aus welchem Ansatz heraus wir sie getroffen haben, die Frage: Wer bin ich, wenn ich dass so meine?

Im Selbstversuch stellten sich die Hauptamtlichen vier ganz unterschiedlichen Fragen: Sollen alle Menschen Vegetarier:innen werden? Ist es richtig, dass Deutschland Leopard-Panzer in die Ukraine liefert? Darf man Sportveranstaltungen wie die Fußball-WM in Katar anschauen? Ist es erlaubt, Hogwarts Legacy Deluxe zu spielen?

Ich fand es sehr interessant und auch ein wenig aufregend, mit sechs Kolleg:innen über die Leopard-Frage nachzudenken und sie in jeweils einer Pro und Contra-Gruppe zu Papier zu bringen. Gute Gründe zu finden für eine Position, selbst dann, wenn es gar nicht meine eigene ist. Wir alle spürten, dass wir uns da irgendwie in einer Dilemma-Situation befinden und ganz schnell „Nein, aber“ oder „Ja, aber“ sagen möchten. Es war gar nicht so leicht auszuhalten und nicht sofort zu protestieren, wenn jemand eine steile These in den Raum stellte. Am Ende haben die die zwei unterschiedlich begründeten Haltungen stehen gelassen und jeweils in einem kurzen Tweet-Format zusammengefasst.

Erkenntnisse, die wir aus der Arbeit mit strittigen Themen gewonnen haben:
-Es lohnt sich, miteinander Streitfragen zu diskutieren und die unterschiedlichen Argumente der „anderen Seite“ anzuhören. Dazu gehören auch die Zwischentöne. Auch im kirchlichen Kontext herrscht eine Meinungsvielfalt, die aber oft in offiziellen Verlautbarungen kaum zum Tragen kommen, weil sie in sich schon einen Konsens formulieren, auf den sich scheinbar alle einigen können.
-Das bedeutet im Umkehrschluss: Es existiert in vielen Köpfen das Bild, dass „die Kirche“ „die eine Meinung“ vertritt. Seitens der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit besteht die Sorge, dass zu viele verschiedene (aus offiziell-kirchlicher Sicht falsche) Meinungen die Runde machen. Auf Seiten der kirchlichen Akteur:innen besteht die Unsicherheit, was man denn nur zu einem sensiblen Thema sagen darf, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden (was immer das dann bedeuten mag).
-Wir bilden uns in unserer kirchlichen Blase oft erst eine Meinung und diskutieren sie dann erst mit Menschen, die sich nicht explizit binnenkirchlich verstehen. Es lohnt sich, an der „Basis“ und in unseren alltäglichen Bezügen schon vorher nachzufragen und sich über die Vielfalt von begründeten Meinungen schlau zu machen.
-Es kann auch sein, dass wir ein Thema nach Herzenslust diskutieren und am Ende feststellen, dass die Politik schon längst eine Entscheidung getroffen hat, während wir noch fröhlich argumentieren. So ein bisschen laufen wir dann den Debatten hinterher. Am Beispiel der Panzerlieferungen festgemacht: Politisch ist längst entschieden: Ende März bekommt die Ukraine 62 Panzer, davon 18 aus Deutschland.

In der Konfizeit wird von den Verantwortlichen immer wieder diskutiert, ob aktuelle Themen auch mit Konfis bearbeitet werden sollten. Dagegen spricht oft: 1. Machen die doch schon in der Schule. 2. Sind sie noch zu jung für bzw. interessiert die Konfis gar nicht. 3. Wir haben eh schon zu wenig Zeit, um die zentralen Themen des Glaubens mit ihnen zu bearbeiten.
Für mich hört sich das oft an wie eine eigene Konfi-Blase.
Ich glaube nicht, dass man ein gesellschaftlich aktuelles Thema in aller Breite in der Konfizeit behandeln muss. Aber Gefühle und Meinungen zu erfragen und auch eigene Gedanken dazu einzuspielen, halte ich für einen guten Weg (haben wir bei Corona und beim Krieg zwischen der Ukraine und Russland ja auch gemacht.) Außerdem ist das Tagesgeschehen oft anschlussfähig, wenn wir uns mit den Konfis mit dem Kern und dem Wesen des christlichen Glaubens beschäftigen.
Das Weltgeschehen ist auch in den sozialen Netzwerken präsent. Eine (meine, unsere) persönliche, christlich begründete Meinung hilft zur Orientierung in der Unübersichtlichkeit der Positionen im postfaktischen Zeitalter. Wichtig ist, dass meine Meinung – und was sagen eigentlich die Teamer:innen dazu? – nicht unbedingt die einzig mögliche ist. In diesem Zusammenhang können die Konfis auch gleich lernen, dass die Bibel kein Ethik-Lehrbuch ist, sondern mit ihrer reichen Symbol- und Erzählwelt ein Angebot zur Entwicklung und Reflexion des eigenen und des kirchlichen Selbstverständnisses bietet. Siehe oben: Wer bin ich, wenn ich das so meine?

Jahrestagung der Berater:innen in der Konfi-Arbeit

Noch sind wir uns nicht ganz einig. Wie gehen wir mit den Erfahrungen der Corona-Krise um?
Die einen sagen, wir müssen noch genauer hinschauen, wie es den Akteur:innen gerade jetzt geht. Und bitte, bitte, nicht einfach nur anknüpfen an das, was vorher lief. Endlich wieder alles machen wie früher. Nein! Stopp! Die anderen sagen: Lasst uns gelassen einfach mal was machen. Auch gerne anders. Genug Stoff also für die Jahrestagung der Berater:innen in der Konfi-Arbeit vom 16.-18. Januar 2023 im Religionspädagogischen Institut in Loccum.

Dr. Kathinka Hertlein, Impulsgeberin der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend (aej) hat die maßgeblichen Studien zu den Auswirkungen von Corona auf junge Menschen befragt. Und stellt fest, dass die Corona-Krise wie ein Brennglas die allgemeine Krisensituation der jüngeren Generationen sichtbar macht. Und verschärft. Noch mehr sind unzufrieden mit ihrer Lebenssituation, fühlen sich alleine und leiden an psychischen Auffälligkeiten. Der Anteile derer, die ohnehin schon in unserer Gesellschaft benachteiligt sind, hat sich verdoppelt! Fast 50 % der Jugendlichen machen sich Sorgen um die Zukunft. Sie fühlen sich höher verunsichert in den Übergängen ihres Lebens und insbesondere Schüler:innen beklagen, dass sie nur noch als Leistungsträger:innen angesehen werden: Lernen, lernen, lernen – und deshalb wäre es doch klug, die Ferienzeiten zu reduzieren. Was soll das denn bitteschön?

Um die Krise oder genauer die vielerlei Krisenherde (Jugendliche, Ehrenamt, Beruflichkeit, Ressourcen) zu meistern, schlägt Kathinka Hertleinin Anlehnung an einen neutestamentlichen Christus-Hymnus (Philipper 2, 5-11) einen Dreischritt vor.

1. Menschwerden – wir hören ernsthaft uns selbst, den jungen Menschen im Sozialraum und Gott zu.
2. Entäußern – mit niederschwelligen Angeboten und Schulungen entwickeln wir Potenziale und wagen den Re-Start mit dem Motto: Auch unscheinbare Anfänge sind wertvoll. Dazu gehört auch die Frage, welche Errungenschaften aus der Corona-Zeit fortgeführt werden sollten.
3. Emporheben – wir heben den Blick und sind dankbar für die Erfahrungen der Verbundenheit im ersten Lockdown und diskutieren über ethischen Handeln in der Krise.

Einen kleinen Anfang haben wir auf unserer Tagung gemacht mit einer SOAR-Analyse (Strengths, Opportunities, Aspirations, Results) und Praxisimpulsen, die wir uns überlegt und miteinander auf ihre Alltagstauglichkeit geprüft haben.

Was mir bei alle diesen Schritten am Herzen liegt: Es geht darum, jede und jeden nach den eigenen persönlichen Erfahrungen zu befragen. Und sich bei dieser Anteilnahme nicht gegenseitig zu bewerten, sondern sich gegenseitig zu ermutigen und zu stärken.
Dazu gehörte ganz am Anfang unserer gemeinsamen Zeit eine Austausch über unsere Sorgen im Bezug auf die gegenwärtige Situation. Wir durften dienstliche Sorgen draußen auf den Karton schreiben (siehe Beitragsbild) und die persönlichen innen rein.
Dass dabei viele Themen, die scheinbar nur am Rand mit der Konfi-Arbeit zu tun haben, zur Sprache kamen, war zu erwarten. Mal schauen, was wir mit unserer Sorgenwand am Ende anstellen…

Eine sehr schöne Nachricht zum Schluss: Unter den elf Menschen, die ihre Weiterbildung zur Konfizeit-Berater:in abgeschlossen haben, ist aus der oldenburgischen Kirche Pastorin Carina Böttcher aus Delmenhorst dabei. Die allerherzlichsten Glückwünsche, liebe Carina!