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Workshop am 2.5.2023 in Osternburg

Wie kann die globale Perspektive in die Konfizeit einbezogen werden? Unter dieser Leitfrage präsentierten drei Fachmenschen der Bildungsarbeit bewährte Bausteine für die Praxis.

Silke Heitmann von der Diakonie Bremen erprobte mit uns einige Stationen von Will leben – Willkommen zum Thema Flucht und Vertreibung.

Frederike Preissner von der Norddeutschen Mission spielte mit uns das Weltverteilungsspiel. Wie verteilen sich die derzeit etwas über 8 Milliarden Menschen auf die Kontinente? Und wie unterschiedlich ist das Bruttoinlandsprodukt? Wie passen die geschätzten Kohlendioxid-Äquivalente dazu?

Einen Actionbound über den durch den Klimawandel bedrohten Inselstaat Tuvalu stellte uns Marius Blümel vor, Referent für Brot für die Welt in der oldenburgischen und der reformierten Kirche. Das Motto lautet: Gemeinsam für Klimagerechtigkeit!

Alle Materialien kann man sich bei den Fachstellen ausleihen, einiges aus dem Netz herunterladen und vieles mit Bordmitteln selbst erstellen.

Die Teilnehmer:innen waren von der Attraktivität der interaktiv gestalteten Lernmöglichkeiten angetan. Und vor allem von der Bereitschaft der Referent:innen, gerne vor Ort mit Konfis, Teamer:innen und in größeren Gemeindezusammenhängen zu diesen und anderen Themen des Globalen Lernens zu arbeiten.

Immer wieder stellt sich natürlich die Frage, wie man mit möglichst wenig Text dennoch Sachkenntnis vermitteln kann – „selbst Gymnasiast:innen wollen nach einem 8-10 Unterrichtsstundentag nicht noch lange Texte lesen“ (Originalzitat).

Mindestens ebenso wichtig ist die Frage, ob ich denn das Thema Globales Lernen in einem immer kompakteren Konfi-Kurs überhaupt noch unterbringe. Hier geht es um Prioritäten. Die beruhigende Ausrede, dass dieses Themenfeld doch schon in der Schule gemacht würde, greift hier etwas zu kurz und geht mancherorts an der Realität vorbei. Nachhaltiges Leben und die Sehnsucht nach einer gerechten Welt gehört doch zur DNA unserer Kirchenkultur. Warum schenken wir fair gehandelten Kaffee in unserer Gemeinde aus? Wieso achten wir darauf, dass bei unseren Festen keine Lebensmittel verschwendet werden? Warum beten wir immer wieder für Hungernde und Verfolgte?

Eine Idee könnte sein, den ganzen Konfi-Kurs auf das Leitmotiv „Wasser zum Leben“ zu konzentrieren, dass sich wie ein roter Faden durch die Konfizeit zieht. Der Klimawandel hat hier mit seinen verheerenden Auswirkungen auf das Überleben ebenso Raum wie die biblisch-christliche Tradition: Geschichten der Bibel, die sich um das Motiv des Brunnens ranken. Der See Genezareth als Kristallisationspunkt des Wirkens Jesu. Die wunderbare Verwandlung von Wasser in Wein auf der Hochzeit zu Kana, zugleich eine Überleitung zum sakramentalen Handeln in Abendmahl und Taufe……….

Ökologischer Anstand als Bildungsauftrag

In ihrem Buch All you need ist less plädieren die Autoren Manfred Folkerts und Niko Paech für eine Kultur des Genug. Achtsamkeit und Nachhaltigkeit zu Modeworten geworden. Zwei Experten auf diesem Gebiet loten aus, welche Potenziale sich aus ökonomischer und buddhistischer Sicht ergeben, um unseren zerstörerischen Wachstumspfad zu verlassen. Der Fachbegriff für eine Haltung, die die Menschheit vor dem drohenden Kollaps bewahrt, heißt Suffizienz (lat. sufficere – genügen) – wir produzieren und konsumieren in Zukunft weniger und begrenzen dadurch unseren Energie- und Materialverbrauch.

Der buddhistische Ansatz Manfred Folkerts weist dabei viele Parallelen zur christlichen Ethik auf – für ein mitweltfreundliches Leben ist dabei für ihn der religiöse Hintergrund nicht von entscheidender Bedeutung. Wer, aufgrund welcher Weltanschauung auch immer, erkannt hat, was zu tun ist, kann sein Leben ändern. Verzicht auf die Gier nach Mehr, die uns durch den gesellschaftlichen Konsumrausch beherrscht. Schluss mit der Konkurrenz, der gegenüber ich mich warum auch immer beweisen muss. Endlich die Augen aufmachen und sich nicht selbst täuschen mit der trügerischen Hoffnung, dass der Fortschritt irgendwann schon eine Lösung findet für unseren begrenzten Planeten. Meditation oder spirituelle Übungen sind dabei keine Fluchtversuche, sondern sinnvoll, um sich bewusst dem Alltag zu stellen. Für Folkerts ist klar: der Umschwung wird zwar von Individuen vollzogen, aber erst im gemeinsamen Handeln wird er zum Erfolg im Sinne einer Postwachstumsgesellschaft führen.

Niko Paech beschreibt Suffizienz als Antithese zur modernen Wachstumsorientierung. Er hat wenig Hoffnung, dass Politik, Wirtschaft und Wissenschaft den bisher eingeschlagenen Pfad verlassen werden. Ein Politiker, der Verzicht für seine Wiederwahl wirbt, wird aus dem Amt gejagt. Die Wissenschaft glaubt mehrheitlich, schon noch Lösungen zu finden für die offensichtlichen Probleme. Und die Wirtschaft kann sich nur Wachstumskurven nach oben vorstellen. Dabei ist es illusorisch zu glauben, dass unser ressourcenintensiver Lebensstil einfach nur mit angeblichen nachhaltigen, sauberen Brennstoffen aufrechterhalten werden kann. Maximal ein bis zwei Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten würden jeder und jedem Menschen auf der Welt im Jahr zustehen, wenn wir unsere Spezies auf längere Sicht erhalten wollen. Das ist nicht viel (maximal ein bzw zwei interkontinental-Flüge könnten übers Leben verteilt, drin sein).

Suffizienz ist die Kunst der Unterlassung und Verneinung. Bereiche mit einer hohen Schadensbilanz wie z.B. Berufsverkehr, Elektrizität, Infrastruktur werden reduziert. Auf sündhaften Luxus wie Kreuzfahrten, Flugreisen, SUVs, Zweitwagen und ein 48 Wochen im Jahr leerstehendes Ferienhaus wird ganz verzichtet.. In Bereichen der Grundbedürfnisse mit relativ weniger schädlichen Auswirkungen wie Nahrung, Textilien, Wohnraum, Gesundheit, Bildung, Telefon geht es um Selbstbegrenzung. Das gilt umso mehr in den Bereichen, die wir uns als kleinen Luxus gönnen wie Bücher, Fernseher, Essengehen etc.
Letztendlich wird der Wandel nur möglich, wenn einzelne den Anfang machen. Jede und jeder von uns kann von heute auf morgen genügsamer leben. Die dadurch entstehenden Vorbilder stecken andere an („Adoptionsneigung“), bis irgendwann eine kritische Masse erreicht ist. Ein mögliches Szenario: „Angenommen, in den nächsten fünf Jahren reduziert die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ihre Erwerbsarbeit auf 20 Wochenstunden und verwendet die frei gewordene Zeit darauf, zu reparieren, zu tauschen, immer mehr Dinge selbst herzustellen und gemeinsam zu nutzen, nicht mehr zu fliegen, ihr Auto abzuschaffen, ihren Fleichkonsum markant zu verringern, siche dem Digitalisierungswahn zu verweigern und so weiter. Dann würde der Krise die Basis entzogen, weil diese Menschen schon so leben würden, wie es nötig wäre, um in einer Rezession würdig zu existieren. Stellt euch vor, es herrscht eine Krise, und ihr merkt es nicht, weil ihr die Dinge, die nun nicht mehr verfügbar sind, gar nicht braucht.“ (S. 236)

Mich hat die Argumentation der beiden Autoren sehr beeindruckt. Und mir vor Augen geführt, dass es keinen Sinn hat, darauf zu warten, dass „die Politik und die Wissenschaft“ uns auf einen guten Weg führen wird. Die Transformation in zu einem konsumreduzierten Leben wird entweder by design – d.h. von uns selbst gestaltbar oder by desaster – wird werden aufgrund der ekalierten Lage dazu gezwungen – stattfinden.
Neu in den Blick habe ich genommen, das individuelles Wohlbefinden für uns Menschen bezüglich der Menge an Wahlmöglichkeiten an Grenzen kommt. Eine möglichst hohe Lebensqualität setzt voraus, sich auf ein begrenztes Spektrum an Gütern zu beschränken. Alles, was geht, auch zu machen, führt am Ende zu Reizüberflutung, Zeitknappheit, Stress und „Konsumverstopfung“. Am Ende ist es viel selbstwirksamer, sich auf einige Betätigungsfelder zu spezialisieren und dort mit Übung und Leidenschaft ein tieferes Verständnis und eine innigere Verbundenheit zu spüren (das habe ich übrigens gerade gestern bei einem Familiengeburtstag genauso gespürt, als eine Verwandte von ihrer Leidenschaft für Reiten erzählte!).

Was mich bezüglich der Bildungsarbeit zusätzlich in Frage gestellt hat, ist die Tatsache, dass es uns in unseren Bildungskontexten noch lange nicht gelingt, Schülerinnen und Schülern – also auch Konfis – für ein suffizienteres („genügsameres“ klingt irgendwie so altmodisch) Leben zu begeistern. Noch so viel Aufklärung und Beschäftigung mit dem Themenfeld Nachhaltigkeit bzw. Bewahrung der Schöpfung führt in der Breite nicht dazu, dass junge Menschen dem Konsumrausch und dem Wachstumswahn entsagen. Also ganz bewusst nachhaltig leben und das als einen Qualitäts- und Freiheitsgewinn empfinden. Balast abwerfen, sich dem Steigerungswahn entziehen, das Vorhandene gegen einen aufdringlichen Fortschrittswahn als auskömmlich betrachten, gemeinsam mit anderen mutig und selbstbewusst unzeitgemäß sein – eben ein maßvoller, friedlich-fröhlicher Wohlstands- und Technologieboykott.
Vielleicht – nein sogar ziemlich sicher – liegt es ja auch an meinem und unserem Vorbild…