Noch bis zum 25. September läuft die Documenta 15 in Kassel. Das Künstlerkollektiv Ruangrupa aus Indonesien, das die aktuelle Weltkunstausstellung kuratiert, setzt auf Vielstimmigkeit und Miteinander. Ein zentraler Begriff ist dabei „Lumbung“. Im ursprünglichen Sinn bezeichnet er eine Reisscheune, in der Bauern ihre Ernteüberschüsse einlagern, um sie mit der Gemeinschaft zu teilen. Von Ruangrupa wird er verstanden als undogmatisches, pragmatisches Teilen von Budgets, Entscheidungen und Ressourcen und das gemeinsame Arbeiten in Netzwerken und Gruppen. Dabei geht es humorvoll, großzügig, transparent und genügsam und lokal verankert zu.

Mir gefällt dieser Ansatz sehr gut. Und ich dachte während meines Besuchs der vielen Ausstellungsorte der sehr unterschiedlichen Kollektive, vielleicht sollten wir unsere Konfi- und Jugendarbeit noch mehr lumbung-like gestalten. Wir neigen ja dazu, noch sehr oft in Kirche in Ressorts und Zuständigkeiten zu denken. Was ist meins und was ist deins. Ich erlebe das an vielen Stellen als sehr mühsam. Es muss doch alles seine Ordnung haben. Wo kämen wir denn hin…
Und so ringen wir manchmal sehr zäh darum, wer auf welcher Ebene wem was zu sagen hat (oder ob ich mir überhaupt von jemandem was sagen lasse), was ich mir auf keinen Fall bieten lasse und achten sorgsam darauf, dass alte Traditionen und Gewohnheiten beachtet werden. Wahlweise ist der oder die andere schuld, wenn das Projekt nicht so läuft. Fehlerfreundliches und herzliches Vergeben fällt uns schwer. Und vergessen geht irgendwie gar nicht.
Ich wünsche mir für das Miteinander der Professionen und Menschen in der Konfi- und Jugendarbeit noch mehr Mut, alte Wege zügig zu verlassen und auszuprobieren, was geht. Hey, Du kannst das und hast Lust dazu?! Dann nur zu. Meine Unterstützung hast Du.

Klar, ich gebe zu: So kollektiv locker zu lassen und entspannt miteinander kreativ zu werden, ist eben auch eine Kunst für sich.
Aber es lohnt sich um der Kinder und Jugendlichen willen, wenn die Engagierten im Team sich als gute „Sobat-Sobat“ (die Besucher:innen-Guides der Documenta), als Freund:innen und Begleiter:innen erweisen.
Und am Ende des Weges gehen wir zum „Nongkrong“, dem gemeinsamen, ungezwungenen Abhängen über. Am besten im „Warung Kopi“ (Straßencafé) als sozialem Knotenpunkt. Kommunikation als künstlerische Praxis.

Zum Titelbild: Die Brücke über das ehemalige Bootshaus beim Bootsverleih Ahoi an der Fulda haben Schulkinder der Unterneustädter Schule gemeinsam mit dem spanischen Kollektiv Recetas Urbanas vorwiegend aus Europaletten, Holzstämmen, ausrangierten Schultischen und Kirchenbänken konstruiert. Sprüche wie „friedlich und freundlich sein“, „habe gute Laune“ etc. sind auf Stufen und Balken gekritzelt. Nach der Documenta wird die Brücke verfrachtet und auf dem Schulhof weiter für kreative Pausengestaltung sorgen.

Übrigens: Es ist angesichts der Begegnung des kollektiven Denkens mit den etablierten Institutionen der Documenta-Gesellschaft kein Wunder, dass es sowohl auf dem Weg wie auch während der Ausstellung immer wieder zu Konflikten gekommen ist und sicher auch noch kommen wird. Die Diskussion über den Antisemitismusskandal ist da sicher nur das prominenteste Beispiel. Ich persönlich habe gestaunt über die unendliche Fülle der vom indonesischen Kollektiv Taring Padi über Jahrzehnte hinweg gestalteten Antikapitalismus-Szenarien. Bei Betrachten der großflächiger Bilder im ehemaligen Hallenbad-Ost kam mir der Gedanke, dass sich an vielen Stellen viele Menschen getroffen fühlen können.

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