Werkbuch KonfiCamps – NEU

Wenn einem zusammen mit einem Buch ein Lunch-Paket geliefert wird, heißt es zugreifen!

KonfiCamp Expert:innen des noch jungen Netzwerks KonfiCamps in Deutschland e.V. haben zusammengetragen, was gut zu wissen ist, wenn man ein KonfiCamp miteinander in hoher Qualität durchführen möchte.

Auch wenn es von der ersten Idee bis zur Umsetzung in der Regel viele Monate dauert, kommt das Buch auch für die bevorstehende Freizeitensaison genau richtig. Dieser Sommer wird viele Camps, die in den letzten zwei Jahren nur sehr eingeschränkt durchführbar waren, wieder viel unbeschwerter machen. Auch erfahrene KonfiCampMacher:innen brauchen ständig gute Anregungen für ihre eigene Praxis – ausgelernt haben wir ja nie!

Der erste Teil KRIBBELN IM BAUCH ist ein Rundgang um das Konfi-Camp-Gelände. Es wird über die Anfänge der KonfiCamps in Finnland berichtet und die vielen Profile, die das Format inzwischen ausgebildet hat, vorgestellt. Beantwortet wird die Frage, wie es gelingen kann, das Evangelium im Zelt – und natürlich auch in festen Häusern – in Szene zu setzen und was das alles mit Kirche und Bildung zu tun hat.

Der zweite Teil DAS HERZ GEHT AUF führt dann direkt aufs KonfiCamp-Gelände rauf. Es widmet sich der Tagesstruktur eines KonfiCamps. Von den religionspädagogischen Experimenten des Glaubens Arbeit am Vormittag über die Ausprobierzeit am Nachmittag in Workshops und offenen Angeboten bis hin zu abendlicher Action, Bühne und Abenteuer und der besinnlichen Nachtkirche.

ZUHAUSE SEIN – jetzt nehmen wir auf einer Bank im Konfi-Camp-Gelände Platz und staunen, was hier so alles passiert, wenn man etwas genauer hinschaut. Teil 3 des Werkbuchs denkt über Gotteserfahrungen nach, über die Sprache der Musik und schwärmt von den Teamer*innen als Motor und Seele der Camps. Es geht um Seelsorge und Inklusion, Krisenmanagement, Digitale Teilhabe, Nachhaltigkeit und Gender Diversity. Damit die Qualität hoch bleibt, werden Tools zur Evaluation vorgestellt und gefragt, welches Potenzial KonfiCamps für die Kirche der Zukunft haben. Und wer darüber nachdenkt, wie überschaubar denn so ein KonfiCamp sein sollte, freut sich über das letzte Kapitel Groß, größer, am größten.

Ach ja, das Lunch-Paket. Immer, wenn an einem leckeren Sandwich entlang gelesen wird, lohnt sich der Klick ins Downloadmaterial mit einer Menge an hilfreichen Listen, Bildern und Dateien, die für die Vorbereitung und Durchführung eines KonfiCamps nützlich sind.

Carsten Haeske, Irmela Redhead, Steffen Weusten (Hrsg.): Das Evangelium ins Zelt setzen. Werkbuch KonfiCamps, Mit Downloadmaterial, Gütersloh 2022, 240 Seiten, 24 €

Zwölf aufregende Zukunftswimmelbilder

Es gibt zu wenig Sauerstoff zum Atmen in der Luft – Die Menschen leben auf den Bergen, der Boden ist geschrumpft, der Meeresspiegel dramatisch angestiegen – Die Menschen leben so, wie die Natur es vormacht – Die Menschen leben in großen Raumschiffen – Niemand besitzt mehr ein Auto – Etwa die Hälfte der Menschheit ist verdurstet, ebenso wie ein Großteil der Tiere – Alle Tiere laufen frei herum (mit einem meiner Lieblingssätze: „Die Tiere teilen mit den Menschen, was sie übrig haben.“ und den Bildern von toughen Jungens, denen beim Besuch des Schlachthofmuseums kotzübel wird.) – Auf der ganzen Welt verbreitet sich ein hochansteckendes Virus – Es gibt keine Grenzen und Länder mehr – Das Ozonschutzschild der Erde ist zerstört – Kinder haben die gleichen Rechte wie Erwachsene – Die Menschen haben ihre Lebensgrundlagen kaputt gemacht und sind ausgestorben.

Das sind die ersten Sätze der zwölf Texte, die durch zwölf gezeichnete Szenarien illustriert werden – wunderschön, erschreckend und inspirierend. Und fast alle diese Weltuntergänge – bei welcher werden sie wohl bis auf Hund Bella fehlen? – erlebt eine Familie unter den entsprechenden Umständen mit.

Andrea Paluch, die zuvor schon viele Bücher zusammen mit ihrem Mann Robert Habeck geschrieben hat, und die Diplom-Designerin Annabelle von Sperber schenken uns ein Bilderbuch voller Stoff für Visionen, Gespräche und Träume. Alle, denen ich das Buch gezeigt habe, finden das auch. Eine ernsthafte und fantasiereiche Einladung an Menschen ab 8 Jahren zur Diskussion über die Frage: WIE WOLLEN WIR LEBEN?

Jetzt, wo wir uns bald wieder aus der Corona-Lähmung herausschälen, eine gute Frage. Weitermachen wie bisher oder darüber nachdenken, was zu tun und was zu lassen ist?
Nein, das ist kein Buch für Schwarzseher. Sondern eins für alle, die diese Welt lieben.

Ich kann mir das Buch gut für Konfi3/4 – also für Konfis im Grundschulalter vorstellen, aber vielleicht docken auch Vorkonfis mit 11 oder 12 Jahren an. Das muss man selbst herausfinden.

Andrea Paluch/Annabelle von Sperber, Die besten Weltuntergänge. Was wird aus uns? Zwölf aufregende Zukunftsbilder, Klett Kinderbuch, Leipzig 2021, 16 €.

Der Klappentext des Verlags:
Die Welt, wie wir sie kennen, wird untergehen. Sie ist schon dabei. Und was kommt dann? Dieses Buch entwirft in knappen Texten und auf spektakulären Bildtafeln ganz verschiedene Szenarien für unsere Zukunft. Werden wir nur in Raumschiffen überleben können? Kommt eine große Dürre oder doch eher eine Flut? Könnte es vielleicht auch schön werden, zum Beispiel ohne Kriege und Grenzen? Wie wäre das Leben ohne Autos oder mit freien Tieren?

oder: Aufmerksamkeit bitte!

Kennst Du diesen Aufmerksamkeitstest: Zwei Mannschaften, eine in weiß, die andere in schwarz gekleidet, werden eingeblendet. Du als Zuschauer sollst in den nächsten Sekunden genau mitzählen, wie oft sich die weiße Mannschaft den Ball zupasst. Gesagt, getan: 1, 2, 3… Waren es jetzt 13 mal? Oder doch 15? Die Lösung wird am Ende des kleinen Clips verraten. Und dann wird gefragt, ob Du auch noch etwas anderes gesehen hast, was durch das Bild gelaufen ist… – den schwarzen Gorilla nämlich. Manche behaupten, nur 8% der Betrachter würden ihn beim ersten Mal wahrnehmen. Andere sagen, die Waage hält sich bei 50%. Dann wird der Film noch mal gezeigt: Tatsächlich. Da läuft der Gorilla ganz gemütlich von links nach rechts über die Bildfläche und bleibt sogar noch stehen, um sich stolz auf die Brust zu schlagen.
Die Monkey Business Illusion ist ein Beitrag der Forschung zum Thema „selektive Wahrnehmung“. Ja, man sieht manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht – looking without seeing.

Im Zusammenhang mit den Auswirkungen der digitalen Revolution fragt die Erlanger Professorin für Christliche Publizistik, Johanna Haberer, ob es nicht eine wichtige religionspädagogische Aufgabe sein muss, mit jungen Menschen eine neue Aufmerksamkeit einzuüben, um der ständigen Ablenkung der digitalen Umwelt etwas entgegenzusetzen. Bei vielen jungen Menschen gehört alle Aufmerksamkeit der Netzkommunikation. Wer sich in diese Abhängigkeit begibt, dem droht zunehmender Verlust der Autonomie. Dauerbeurteilung (Likes und Sterne), Normierung von Aussehen oder Sprache, Druck dauernder Erreichbarkeit und ein nicht endend wollender Wettbewerb sind nur ein paar Stichworte. Im Sinne einer guten Selbstfürsorge könnte transparent diskutiert werden, wohin es sich lohnt, die eigene Aufmerksamkeit zu lenken. Und kritisch lässt sich fragen, ob ein digital organisierter Mensch überhaupt noch in der Lage ist, seine Aufmerksamkeit selbst zu navigieren. Spätestens mit der niederländischen Übersetzung „Aandacht“ für Aufmerksamkeit deutet sich die spirituelle Dimension des Themas an und das Nachdenken darüber, wie sich in einer medialen Kommunikations- und Informationsgesellschaft unsere Vorstellungen von Transzendenz verändern.

Im Rahmen des Pfarrkonvents in der Wesermarsch haben wir uns u.a. mit dem Thema beschäftigt, wie es uns als Kirchenmenschen geht, wenn es zunehmend Situationen und gesellschaftliche Entwicklungen gibt, in denen wir als Kirche längst nicht mehr die Aufmerksamkeit von anderen haben, obwohl wir sie doch so gern hätten und auch brauchen, um die Kommunikation des Evangeliums auch über den gemeindenahen Horizont hinaus zu gestalten. Die Glocken der Kirche dringen durch den fulminanten Klangteppich der gesellschaftlichen Angebotspalette nicht mehr so richtig durch. Fühlen wir uns dann auch so wie der Gorilla, den keiner sieht? Viel lieber, so formulierte es ein Kollege, möchte ich doch einer von denen sein, der in der weißen oder Mannschaft aufmerksam Pässe spielt.

John Green („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“, „Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“) berichtet in seinem Essayband „Wie hat ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?“ darüber, dass sich seine Aufmerksamkeit in den letzten Jahren so dermaßen zersplittert hatte und sein Leben aus dem Gleichgewicht geriet. Für ihn war der Rat seiner verstorbenen guten Freundin und Mentorin Amy Krouse Rosenthal hilfreich: „An alle, die herauszufinden versuchen, was sie mit ihrem Leben anstellen sollen: ACHTET DARAUF, WORAUF IHR ACHTET. Das ist im Grunde alles, was ihr wissen müsst.“

Holocaust-Gedenktag 27. Januar

Der 27. Januar ist jedes Jahr. Der internationale Holocaust-Gedenktag hält die Erinnerung wach, schafft Aufmerksamkeit für ein wichtiges Thema. So auch in unserer Familie.

Unsere Tochter Lea, 14 Jahre, fragt mich, ob ich ihr etwas über das Dritte Reich erzählen kann. Mach ich gerne. Auf einer Autofahrt erzähle ich, soweit ich das noch erinnere, von den Anfängen des Nationalsozialismus bis zum Beginn des Krieges. Von der Wurzeln des Antisemitismus. Von Rassenideologie, Euthanasie und nationalem Größenwahn. Zwei Tage später am Mitttagstisch folgt die Fortsetzung, die Kriegsjahre. Der ebenfalls anwesende ältere Bruder freut sich, dass er auch noch viel von dem weiß, was da berichtet wird. Und dann reden wir plötzlich über den einen Opa, der im Krieg war und in der Gefangenschaft und den anderen, der das Programm der Entnazifizierung durchlaufen hat.

Studien belegen, dass vier von zehn Schüler:innen ab 14 Jahren unabhängig von ihrer Herkunft nicht wissen, wofür Auschwitz steht. Die absolute Mehrheit der Deutschen glaubt nicht, dass ihre Vorfahren Täter oder Mitläufer waren. Wir haben es also anscheinend in unserer Gesellschaft nur mit Nachfahren von Opfern des Nazi-Regimes, heldenhaften Widerstandskämpfern oder mit Migranten zu tun.

Ein paar Tage nach unseren Geschichtslektionen kommt Lea aus der Schule mit dem Forschungsauftrag: Wer war Wernher von Braun? Mir fällt sofort unser Urlaub auf Usedom ein, bei dem wir dereinst das Raketenmuseum in Peenemünde erkundet haben.

Neben den Angeboten an Gedenkveranstaltungen, Lichtergängen, Filmen etc., die in diesem Jahr auch wieder in Präsenz angeboten werden, finde ich Spuren auf Papier spannend, das Computerspiel der Gedenkstätte Wehnen. Digital sollen die Schicksale der etwa 1500 ermordeten Patient:innen während der NS-Zeit in der Heil- und Pflegeanstalt vermittelt werden. Bestimmt ein Spagat zwischen Sensibilität und Inhaltsvermittlung Damit werde ich mich mit meiner Familie mal auseinandersetzen.

In meinem ZEIT-Kalender“Was mein Leben reicher macht“ lese ich eine Erinnerung von Gernot Flick aus Wiesbaden:
Mein Vater war Schreiner, als Meisterstück baute er ein Schlafzimmer, das in der Nazi-Zeit aber nicht anerkannt wurde. Nur „deutsches“ Holz war zulässig, er jedoch hatte als Furnier Kaukasischen Nussbaum verwendet. Sein Schrank, diese wunderbare Handarbeit, ist meine einzige Erinnerung an ihn, denn ich war noch sehr klein, als er im Krieg blieb.

Und dann landet dieser Tage ein Brief unserer ehemaligen Nachbarin Waltraud Mann in unserem Briefkasten. Sie engagiert sich seit vielen Jahrzehnten bei Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V. und war vor 20 Jahren für eineinhalb Jahren in Israel tätig. Im Rahmen ihrer Betreuungsarbeit besucht sie Alice Hausman. Im Gespräch mit der rüstigen und erblindeten Dame erzählt sie ihr, dass sie aus Kassel kommt.. Darauf erzählt Alice Hausman, dass ihre Eltern am 9. Dezember 1941 vom Kasseler Bahnhof in das Rigaer Ghetto transportiert wurden. Worauf Waltraud Mann berichtet, dass sie just an diesem Tag als kleines Mädchen mit ihrer Mutter bei der Abgabe eines Paketes am Bahnhof sah, wie man Juden über den Bahnhofsvorplatz zur Deportation führte. Für sie was das die erste und zutiefst prägende Begegnung mit der Shoah. Dann berichtet sie von einem Kunstprojekt, bei dem Schüler:innen Lebensblätter deportierter Juden erarbeiteten. Jedes Lebensblatt wurde um einen Stein gewickelt und zu einem Dokumentenkunstwerk zusammengestellt. Waltraud Mann, die vom Künstler Horst Hohesiel zum Mitmachen eingeladen worden war, bekam auch ein Lebensblatt, das von Meta Oppenheim. Als Alice Hausman das hört, wird es in ihrem Wohnzimmer plötzlich über einen längeren Zeitraum still. Das Gesicht der alten Dame bekommt einen schmerzlichen Ausdruck und sie muss weinen. Dann ruft sie: „Das war meine Mutter!“
Was für eine außergewöhnliche Geschichte! Und sie endet damit, dass Jahre später, Alice Hausman war gestorben, ihre Tochter Ruti Zurel mit ihrem Mann auf Einladung von Waltraud Mann nach Kassel kommt, mit ihr gemeinsam die Erinnerungswege der Familie Oppenheim/Hausman geht und auf dem jüdischen Friedhof das Kaddisch für ihre Verwandten, die vor der Shoa dort begraben wurden, spricht.

Als ich vor 9 Jahren Dave Eggers dystopischen (auch so ein Wort, dass ich damals nicht kannte) Roman The Circle gelesen habe, war das schon ziemlich verstörend. Die großen Internet-Konzerne aus dem Silicon Valley schließen sich zusammen und überwachen das Konsumverhalten und zunehmend das Privatleben der Menschen.

Im neuen Buch von Eggers bringt die größte Suchmaschine The Circle gemeinsam mit dem größten Social-Media-Anbieter und der Fusion mit dem erfolgreichsten Online-Kaufhaus (verdeckt dschungle genannt nach einem großen (ehemaligen?) Regenwaldgebiet in Südamerika) in naher Zukunft (die 2030iger Jahre) das reichste und gefährlichste – und seltsamerweise auch beliebteste Monopol aller Zeiten hervor: Every. Every wie überall und immer da. Endlich ein Gefühl von Ordnung oder Die letzten Tage des freien Willens oder Grenzenlose Auswahl zerstört die Welt.

Gelingt es der aus verschiedenen Gründen widerständigen Delaney, den übermächtigen Konzern von innen heraus zu Fall zu bringen? Steht ihr Freund Wes ihr dabei zur Seite? Am Anfang ist die Motivation der ehemaligen Park-Rangerin glasklar. Aber es passiert viel auf dem Every-Campus, was ihre Gedanken und Gefühle durcheinander bringt… Und immer wieder stellt sich ganz nach Erich Fromm die Frage, ob es außer dem angeborenen Wunsch nach Freiheit auch eine instinktive Sehnsucht nach Unterwerfung gibt?

Mich hat dieser Page-Turner erstens gepackt und zweitens am Ende mit einigen Fragen zurückgelassen, u.a. was mein eigenes digitales Verhalten und meinen Umgang mit der faszinierenden Welt der digitalen Möglichkeiten betrifft. Sollte ich meine SoundLink-Box doch lieber ganz abschalten, weil am Ende jemand mithört? Ach quatsch, das gibt´s doch gar nicht. Oder doch?

Ab welchem Alter Every von Dave Eggers geeignet oder besser gut zu lesen ist, kann ich gar nicht so genau sagen. Aber drüber reden, Ausschnitte vorlesen und diskutieren geht auf jeden Fall auch in der Konfi-Zeit. Und mit Teamer:innen sowieso.


Früher war es Gott, der dein gutes Verhalten sah und dich irgendwann dafür belohnte. Heute weißt du in Echtzeit, ob du gut gehandelt hast und bekommst vielleicht sogar die Antwort auf die bisher im Internet noch nicht hinreichend beantwortete Frage: „Bin ich gut?“
Am Ende ist es eine Zahl zwischen 1 und 1000.