Was bedeutet ein Leben in Fülle“?

Das war ein spannendes theologisches Gespräch. Mit 14 Menschen im Kreis, die zuvor schon mit Lego kleine Installationen zu zwei schöpferischen Gedanken erstellt hatten.
Und sich nun lebhaft über ein Jesuswort – „Ich aber bin gekommen, um ihnen Leben zu bringen – Leben in ganzer Fülle.“ (Johannes 10, 10) – austauschten.

Den Rahmen für dieses Gespräch bildete die Impulswerkstatt „Philosophieren und Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen“ des Landesjugendpfarramtes und der Arbeitsstelle für Religionspädagogik am 16.9. im gastfreundlichen Evangelischen Gemeindehaus in Ofen.
Es war die erste analoge Fortbildung in Coronazeitalter für uns. Die Freude am inhaltlichen Arbeiten und an der leibhaftigen Begegnung ließ sich gut mit den erforderlichen AHA – Regeln und den Hygieneauflagen vor Ort vereinbaren. Das war an sich schon eine große Erleichterung: Wir trauen uns wieder etwas mehr zu!

Sandra Bohlken, Jugendiakonin für die Wesermarsch, führte, unterstützt von Matthias Hempel, Pfarrstelle für Konfizeit, in die Grundlagen dieser Arbeitsform ein. Es geht darum, miteinander auf lebenswichtige Fragen über persönliche Meinungen hinaus zu allgemeingültigen Aussagen zu kommen. Wir wollen uns selbst und die Welt besser verstehen. Im Gespräch mit Kindern und Jugendlichen soll Neugier geweckt werden und junge Geister reifen lassen. Ein respektvoller Umgang mit den Einsichten der anderen gehört in dieser Auseinandersetzung ebenso dazu wie aufmerksame Gesprächsregeln. Die Vielfalt u.a. auch an nonverbalen, kreativen Methoden zur Erarbeitung und Vertiefung von Grundfragen des Lebens ist groß und richtet sich immer auch nach dem Ziel des Miteinanders. Als Motto für die Gesprächsleitung, die den Teilnehmer*innen nur im Fragen voraus ist, gilt:
Lasst uns Denken lehren, nicht Gedachtes!

Die haupt- und ehrenamtlichen Teilnehmer*innen aus Schule, Gemeinde- und Jugendarbeit – schon die vielfältigen Profile sind ein Gewinn – waren sich am Ende einig, dass diese Werkstatt nur ein Auftakt sein kann für die Vertiefung der Methode. Deshalb gibt es zunächst nur für die Teilnehmer*innen und die Interessierten der Warteliste eine Präsenzfortsetzung am gleichen Ort Ende Oktober. Danach folgen Video-Treffen zur praktischen Übung und für den weiteren Austausch. Wir hoffen, dass sich in Oldenburg und Umzu noch viele Menschen für diese Form der religionspädagogischen Arbeit begeistern. Wir werden berichten…

Endlich mal wieder Zeit gehabt, aufzuräumen. Mit einem Schmunzeln nehme ich alte Materialien in die Hand, erinnere mich an vergangene Zeiten – und tue sie dann in die große Kiste, die gleich zum Altpapier bzw. zum Rest- oder Sondermüll wandert. Eigentlich bin ich ja Sammler und Jäger. Ich schmeiße ungern etwas weg, weil ich es bestimmt bei dieser oder jener Aktion noch gebrauchen kann. Aber der Platz ist begrenzt. Und manche Medien aus dem letzten Jahrhundert versprühen halt nur noch archivarischen Charme und kein Mensch hat sich das damals so innovative Buch seit vielen Jahren ausgeliehen. Einersseits schade. Andererseits finden sich die guten Ideen der Vorzeit längst in Neuauflagen, neuen Schriftenreihen etc. wieder. Das Rad wird ja nicht immer wieder neu erfunden, sondern fleißig abgeschrieben, kopiert und oft nur anders inszeniert – manchmal mit einer Referenz an den Ursprungsautor, manchmal aber auch, als wäre es aus der eigenen Kreativität entsprungen.

Also werden in diesen Wochen auch die paar Regalmeter mit Konfi-Materialien in der Medienstelle entstaubt und nach und nach auf einen aktuellen Stand gebracht. Und nach und nach ist dann auch wieder Platz, Neues einzustellen. Ergänzt wird das Angebot natürlich von vielen kreativen und methodischen Materialien, die bei uns in der Arbeitsstelle für Religionspädagogik und auch im Landesjugendpfarramt zu finden sind.
Wer also neue Impulse braucht oder einfach auf dem Ideenschlauch steht, ist herzlich eingeladen, anzurufen oder auch vorbeizukommen.

Vielleicht lässt sich der allgemeine Aufräumtrend in Coronazeiten ja auch so verstehen:
Wir stellen fest, dass „alte Hüte“ nicht mehr passen und unsere traditionellen Konzepte und routinierten Abläufe auch uns selbst nicht mehr so richtig gefallen. Also räumen wir auch gedanklich auf und entwickeln ganz neue Ansätze für unsere professionellen und auch unsere privaten Handlungsfelder. Wie sagte es ein Kollege gestern am Telefon: „Wir haben ausprobiert, was unter den neuen Rahmenbedingungen geht und waren ganz überrascht, wie viel, ganz anders angefasst und durchgeführt, mindestens genauso gut funktioniert wie vorher!“
Das ist doch schön, oder? Und das hinterlässt bei mir gleich ein „aufgeräumtes“ Gefühl.

Die Glocken laden um 9 Uhr zum Gottesdienst. Und um 10 Uhr… und um 11 Uhr….
Der September 2020 ist voller Konfirmationen. Eine Kollegin berichtet, dass es allein bei ihr 15 sind. Viele Einzelkonfirmationen, maximal drei Konfis mit ihren nächsten Angehörigen. Das kleine Gemeindezentrum wird zum Rahmen für eine wohnortnahe Familienfeier. Tut es nicht gerade gut, in solchen verunsicherten Zeiten den Segen für die weitere Lebensreise so persönlich und individuell zugesprochen zu bekommen?
Ok, manche werden die Gelegenheit nutzen, sich als Familie stilvoll zu inszenieren – ich hatte diesen Gedanken angesichts einer GartenKonfirmation. Nicht jede Familie ist da so geübt und war vielleicht bisher immer froh, wenn im größeren Rahmen Gottesdienst mit Vielen gefeiert wurde – ein fröhliches Event, bei dem alle irgendwie gleich und einmalig vorkamen.

Auf jeden Fall geben sich alle Beteiligten viel Mühe, dass die Feier der Konfirmation gelingt und trotz Corona den besonderen Abschluss der Konfizeit bildet. Fragen, wie denn der Segen „technisch“ erteilt wird (Pastor*in spricht ohne Maske mit Abstand, Angehörige*r legt die Hände auf (oder fast auf)) oder was ein angemessener Konfirmationsort ist oder gar, wie denn diese Konfirmation ins Kirchenbuch eingetragen werden, sind dann die liturgisch-organisatorischen Feinheiten.

Was mir in diesem Jahr fehlt: Da ich familiär keine Konfirmation feiern kann und ein fröhliches Mitfeiern in einem der vielen Konfirmationsgottesdiensten durch die Teilnahmekontingente nicht möglich ist, lebe ich von all den medialen und persönlichen Berichten, die mich erreichen. Und nicht nur meine Kollegin mit den 15 Konfirmationen, sondern auch Familien erzählen: Es war anders, aber auch schön – und segensreich ja sowieso!

„Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit in einer Welt, in der nichts sicher scheint.…“ – Vor elf Jahren hat die Gruppe Silbermond das Lied „Irgendwas bleibt“ herausgebracht. Und der Text (einfach mal reinhören) ist aktuell – egal, welchen Musikgeschmack man haben mag.

Die Liedzeile kommt mir in diesen Tagen in den Sinn, weil in vielen Zusammenhängen das Thema „Sicherheit“ aufploppt.

Das trifft natürlich auf die Gestaltung der Konfizeit zu. Jetzt, wo die Konfi-Gruppen sich langsam wieder treffen, wird es konkret. Fragen tauchen auf:
Was geht wirklich? Welche Spiele trauen wir uns zu? Wie verträgt sich die Freiheit ohne Kontaktbeschränkung mit den Hygieneregeln unseres Gemeindehauses? Welches Vertrauen haben die Eltern in unsere Durchführungsplanung? Werden sich die wilden Konfis auch an unsere Regeln halten? Wie verbindlich können wir mit der Anwesenheit der Jugendlichen rechnen? Und, und, und….

Gemeindekirchenräte und die bestellten Verantwortlichen für die Konfizeit fragen, ob und wie es zu verantworten ist, die wieder anlaufende Gruppenarbeit mit Konfis durchzuführen. Wir wollen ja als Kirche nichts falsch machen und auf keinen Fall bei uns eine Corona-Infektion übertragen. Welches Risiko gehen wir ein, wenn wir aus der Sehnsucht nach Gemeinschaft die Türen im zu weit aufmachen? Nicht alles, was erlaubt ist, ist ratsam.
Im Gegensatz zur Wirtschaft, die ihre Interessen aus der Sorge um das Überleben von Betrieben längst durchgesetzt hat, haben wir ja in der Tat mehr Spielräume.

Unsere persönliche Verantwortung ist gefragt. Als Christenmenschen und als Vertreter*innen einer vertrauenswürdigen Institution. Das ist für unser evangelisches Selbstverständnis ja gar keine Frage. Aber gerade, weil so viele Unsicherheiten herrschen, wünschen sich manche klare Ansagen und jemanden, der „richtig“ entscheidet. Und dann auch die Verantwortung trägt…
Mir helfen viele kleine Begegnungen und Gespräche, mir selbst darüber klar zu werden, wie ich mich im persönlichen Umgang verhalte, aber auch vor allem im dienstlichen Zusammenhang verantwortlich vorschlagen darf und sollte. Ein kleiner Zweifel bleibt: Ob ich richtig liege, kann ich ja womöglich gar nicht beurteilen.

Weil ich gerade mitten drin stecke in so einem gemeindlichen Klärungsprozess, wünsche ich allen, die jetzt über einen guten Weg der Konfizeit diskutieren, einen klaren Verstand und eine miteinander verantwortbare Risikobereitschaft.

Ganz spontan fallen mir weitere aktuelle Denk- und Handlungsfragen zum Thema „Sicherheit“ ein:
– Wie sieht ein gutes kirchengemeindliches Schutzkonzept für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus? (Die Basissensibilisierung der Pastor*innen durchläuft ja gerade alle Pfarrkonvente). Wie sagte der Referent vom Kinderschutzzentrum: „Wir können Risiken minimieren, aber nie ganz vermeiden…. Wir müssen die Einzelfälle in den Blick nehmen, um den Freiheitsraum zu behalten.“
– Offene Kirchen als Ort des persönlichen Gebets über den Tag bergen das Risiko des Vandalismus – ganz aktuell der „Fall“ des Kreuzes in der Ansgari-Kirche in Oldenburg. Gehen wir das Risiko ein oder schließen wir unsere Türen – dann aber auch für die, die sie im Alltag als besonderen Ort brauchen.
– Es ist gut und wichtig, wenn sich Eltern an den Bildungsorten ihrer Kinder engagieren und Verantwortung übernehmen. So schön das partnerschaftlich ausbalancierte Miteinander aller Beteiligten ist, bleibt die Frage: Wie gelingt die rechtssichere Leitung eines ehrenamtlich geführten Schulvereins?
– Eine gesellschaftspolitische Frage für Europa mit all seinen infrastrukturellen Sicherheitsnetzen lautet: Wie gelingt es uns, Menschen, die auf der Flucht sind, Sicherheit, Perspektiven und Hoffnung zu geben? Können wir es überhaupt verantworten, Menschen in Not ihrem Schicksal zu überlassen?
– Wie wägen wir die erhöhte Sicherheit im Straßenverkehr durch ein Tempolimit ab gegen die Freiheit des Bürgers, auf Autobahnen mit vielen Pferdestärken gerne auch über 130 km/h fahren zu wollen?
……..

Ja, er hat recht! Der Kollege, der verwirrt ist über die Rahmenbedingungen, unter denen die Konfizeit nach den Ferien starten kann.
Einerseits arbeiten unter den Bedingungen des jeweils geltenden Hygienekonzepts. Andererseits die Möglichkeit, als feste Jugendgruppe mit bis zu 50 Personen ohne Abstandsregeln und Maske zusammenkommen zu können. Wie kann es gut gehen?
Ein entsprechender Überblick über Hinweise und Empfehlungen findet sich ja hier im KAJAK-Blog auf einer Extra-Seite als Download.

Ich fasse meine aktuellen Einschätzungen mal in zehn Punkten zusammen:
1. Die aktuellen Regelungen ermöglichen uns einen großen Spielraum mit vielen Freiheiten. Dies können wir kreativ nutzen.
2. Die kluge Anwendung der Hygieneregeln (Niedersächsische Corona-Verordnung, Hygienekonzept der Gemeinde, Hinweise des Landesjugendrings) zur Reduzierung des Infektionsrisikos liegt in der örtlichen Verantwortung.
3. Die ersten Schulwochen werden uns helfen. Die Konfis bringen ihre Erfahrungen mit in unsere Konfizeit-Treffen. Gemeinsam mit ihnen – und in der Rückversicherung mit den Eltern – vereinbaren wir die Regeln eines kontaktschonenden Umgangs im Konfikurs. Es macht Sinn, sehr genau abzusprechen, in welchem Fall wer zuhause bleibt und wie die Informationswege laufen.
4. Noch mehr als bisher achten wir auf die Situation der Einzelnen. Wer sich auch psychisch unwohl fühlt, wird geschont und gemeinsam Alternativen entwickelt.
5. Die digitalen Kommunikationswege der letzten Monate ergänzen unsere Methodenvielfalt. Wir experimentieren, was am besten analog und was vielleicht auch besonders spannend mit neuen Medien inszeniert werden kann.
6. Viele routinierte Abläufe und Traditionen sind in Frage gestellt. Wir improvisieren und stellen manche Organisationsformen um. Wir arbeiten – auch uns selbst gegenüber – fehlerfreundlich.
7. Wir machen keinen Stress. Vieles dauert durch die neue Achtsamkeit länger. Es muss nichts aufgeholt und auch nicht das volle Programm durchgezogen werden.
8. Wir achten auch auf uns selbst. Wenn wir uns selbst bei manchen Aktionen unwohl fühlen, uns das Miteinander zu dicht wird etc., halten wir inne, verteilen die Gruppe großzügiger auf die vorhandenen Räume, lassen das eine Spiel weg, verzichten dann doch auf das gemeinsame Essen, ersetzen die eigentlich unverzichtbare Freizeit durch tolle Tagesaktionen.
9. Die Teamer*innen werden in die Organisation der neuen Konfizeit mit einbezogen. Wo wollen sie mittendrin dabei sein und wo ist ihrerseits Zurückhaltung das Gebot der Stunde.
10. Für gute Entscheidungen über die Durchführung der Konfizeit braucht es Rückenstärkung durch die Gemeindekirchenräte bzw. Kirchenvorstände und vielleicht auch Unterstützung durch zusätzlich hilfsbereite Menschen. Ein gutes Miteinander von Konfizeit und Jugendarbeit bewährt sich in diesen Monaten besonders.